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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Kallab, Wolfgang: Die toskanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0014
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Die toscanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung.

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gegenüber der geraden: die Verstösse sind weniger auffallend, die Beziehungen auf das Ganze der Per-
spective weniger eng; denn sie weist dem Beschauer seinen Platz mit geringerer Bestimmtheit an als
jene und weicht auch der lästigen Symmetrie der nach dem Hauptpunkt zielenden Fluchtlinien aus.
Die unmittelbare Wirkung der Verkürzung kommt zur Geltung; denn während bei der geraden Ansicht
eines Gebäudes, sobald der Hauptpunkt innerhalb desselben liegt, die Fluchtlinien fast ausschliesslich
zu dessen formaler Begrenzung dienen, wenn aber der Hauptpunkt nicht in dessen Bereich fällt, eine
Ergänzung des einseitigen Raumbildes fordern, stellt die schiefe Ansicht an und für sich schon einen
Ausschnitt aus dem Räume dar, ohne jener Ergänzung zu bedürfen. Allerwegen begegnet man den
schrägen Linien, die den Blick allmälig in die Tiefe ziehen: an den Quadern, den Felsblöcken, auf denen
die Gestalten der mythologischen Scenen lagern, an den Strassen, Canälen, Brücken, die auf die meist im
Mittelgrunde angeordneten Gebäudegruppen,
die Hauptmotive der Strandlandschaften und
Hügellandsveduten, zuführen, endlich abermals
an den Hallen und Umfassungsmauern dersel-
ben, wo dadurch bei scharf einfallendem Seiten-
lichte geschlossene Flächen für Licht und %f^''': v^,.

schauer entgegenstehenden Ecke contrastirend
zusammenstossen.

Wir haben schon oben auf die Mängel
der Raumauffassung hingewiesen, deren Aus-
druck mehr als deren Ursache die illusionisti-
sche Perspective ist. Die Motive stehen lose
nebeneinander, die verbindenden Mittelglieder
fehlen; alle die Wirkungen, welche die mo-
derne Landschaftsmalerei durch die genaueste
Abwägung der relativen Grössen und Ent-
fernungen erreicht, werden vernachlässigt. Die-
ser lockere Aufbau, der gerade die Landschaften
auszeichnet, wird durch eine archaistische
Eigenthümlichkeit begünstigt und erklärt: den
hohen Horizont. Wo das Gesichtsfeld nicht

durch hohe Objecte: durch mächtige Gebirgs- Eig. 5. Felsenlandschaft aus Pompeji,

züge, einen hochstrebenden Palastbau, einge-
engt wird, sieht der Beschauer wie aus der Vogelperspective auf die abgeschilderte Gegend hinab.1 Oft
bauen sich die Motive in mehreren Reihen übereinander auf. Die Aufsicht lässt sich bis in die einzel-
nen Gestaltungen der Bodenformen verfolgen. Ueberall, wo Felsen, Gesteingruppen bis in den Vorder-
grund dringen, nähern sie sich geometrischen, von oben her gesehenen Gebilden. Die Hügel zerfallen
in regelmässig ausgearbeitete Platten, in prismatisch behauene Blöcke, deren Schichtung bald horizontal,
bald aufrecht verläuft (Fig. 5); die Ufer des Meeres, der Flüsse sind als scharfkantige, vielfach zersprungene
Felsränder behandelt.2 Noch deutlicher tritt diese Stilisirung auf Mosaiken3 in enger Verbindung mit
einer festgehaltenen Art der Lichtführung auf (Fig. 6): die obersten wagrechten Platten sind hell be-
leuchtet, die senkrechten Ränder liegen im Schatten; je näher die einzelnen Werke der Blüthezeit des
Illusionismus stehen, desto mehr verschwinden die festen Umrisse der regelmässigen Felsformen unter
den breiten Flächen der Farbentöne.

1 Zahn, Die schönsten Ornamente u. s. w. II, Taf. 60; III, Taf. 5 (Casa della Caccia grande). —■ Le pitture antiche d'Erco-
lano e contorni incise, tom. I, p. 127, i33, tav. XLVIII, LV, LX, tom. III, tav. IV, LH u. s. f.

2 Solche Bildungen schon auf dem Mosaik der Alexanderschlacht.

3 Vgl. das allerdings unvollständige Verzeichnis bei Woermann, a. a. 0., S. 3o2ff.

XXI. 2

Schatten gewonnen werden, die an der dem Be-
 
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