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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Kallab, Wolfgang: Die toskanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0018
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Die toscanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung.

13

In der Perspective wechselt der hohe und tiefe Horizont. Die Berge sind in Fernsicht, einzeln-
stehende Gebäude in normaler Ansicht, Städte und Lager aus der Vogelperspective dargestellt, die so-
weit getrieben wird, dass die Luft verloren geht und die Anlagen auf steilen Abhängen anzusteigen
scheinen.1 Solche Landschaften nähern sich schon bedenklich jenen ägyptischen Plänen, in die gewisse
Gebäude im Aufrisse eingetragen sind. Und wirklich fehlen auch landkartenartige Darstellungen nicht:
Strassen, dann ein Hohlweg zwischen Pfählen und Wolfsgruben, Flüsse sind oft im Grundriss ange-
geben; dadurch, dass Figuren und Bäume vor ihnen wie vor anderen Landschaften aufrechtstehen,
werden sie in perspectivisch wirkende Hintergründe verwandelt.2

Die Grössenverjüngung ist willkürlich; aus Raummangel werden Figuren und Objecte im Vorder-
grunde oft kleiner dargestellt als in der Ferne. Bäume und Menschen verkleinern sich in der Regel
überhaupt nicht; ihre Stellung im Räume wird nur durch ihren Stand im Relief und allenfalls durch
Ueberschneidung markirt.

An den Architekturen wird die gerade und die schiefe Ansicht wahllos angewendet. Gewisse
Fehler sind ständig, bei jener die stumpfen, bei dieser die spitzen Winkel an Gebäuden von recht-
eckigem Grundrisse.

Der Reichthum und der lebendige Wechsel der Landschaften, die man den Reliefs der Trajans-
säule nicht absprechen kann, fehlen den Darstellungen der Marcussäule.3 Die Schilderung der Land-
schaft tritt stark zurück; Architekturen sind spärlich und häufig nur im Grundrisse gezeichnet, die
Bodenformen werden nur durch den höheren oder tieferen Stand der Gestalten angedeutet. Die An-
ordnung der Figuren in mehreren regelmässigen Reihen übereinander, die auf der Trajansssäule noch
selten vorkommt, dient zum Ausdrucke ihrer Stellung im Räume.

Die Raumeinheit der übereinander dargestellten Scenen, welche die Säulenreliefs festhalten, wird
auf den Tafeln vom Severusbogen 4 zur blossen Fiction. Schlachten, Hinterhalte, Märsche, Allocutionen,
Städtebelagerungen, die ganzen Begebenheiten eines Feldzuges, die räumlich und zeitlich weit ausein-
anderliegen, werden innerhalb eines Rahmens dargestellt, als gingen sie auf Gebirgszügen vor sich,
deren Räume amphitheatralisch übereinander aufsteigen. Aber die einzelnen Hügel bilden nicht wie
auf der Trajanssäule senkrechte Wände sondern weichen hinter den Figuren zurück; nur die Boden-
streifen, auf denen die Gestalten stehen, ragen als Wülste hervor und grenzen die einzelnen Scenen
unregelmässig ab.

Mit den Reliefs vom Severusbogen sind wir bis an das Ende des II. Jahrhunderts vorgedrungen.
Neue Momente kommen von dieser Zeit an in der Geschichte der Landschaftsdarstellung nicht mehr
zum Vorschein. Die Uebertragung der Kunstmittel des darstellenden Stiles in den andeutenden beginnt
jenen allmälig zu zersetzen und eine Art der Landschaftsdarstellung entsteht, die beiden wesentliche
Elemente entlehnt. Die Absicht, den Raum durch Verkürzungen, Grössenverkleinerungen und Ueber-
schneidungen mit Hilfe der illusionistischen Perspective wiederzugeben, die schematische Stilisirung
der Bodenformen in regelmässige Platten und Prismen entstammt dem darstellenden Stile der römischen
Mosaiken und Wandgemälde, die Verwirrung der Maassstäbe, die Zurückführung der mannigfaltigen
Gestalten der Vegetation und Architektur auf ständige Typen dem andeutenden Stile der römischen
Reliefplastik. Dieser Mischstil, der schon auf römischen Werken des III. Jahrhunderts5 vorkommt,
bildet die Grundlage der altchristlichen Landschaft, deren Entwicklung nur auf der wechselnden Aus-
wahl und Umformung der bereits vorhandenen Motive und Compositionsschemen beruht.

1 Cichorius, Atlas, Taf. 38, 42, 46, 20. Petersen, a. a. O., S. 89 f. Die Beeinflussung durch Polygnot ist wohl ab-
zulehnen.

2 Cichorius, Atlas, Taf. 37.

3 Die Marcussäule auf Piazza Colonna in Rom, herausgegeben von E. Petersen, A. v. Domaszewski, G. Calderini,
Bruckmann 1896, mit Atlas; Text, S. 42 f.

4 Bartoli et Bellori, Veteres arcus Augustorum triumphis insignes, Romae 1690, tab. 9—15.

s Mosaik (Monatsbilder) aus Saint-Romain-en-Gale (Rhone), besprochen von G. Lafaye, Revue Archeologique 1892,
Janvier—Juin, p. 322 f. mit Abb.
 
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