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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Kallab, Wolfgang: Die toskanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0025
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20

Wolfgang Kallab.

Der Bilderstreit bedeutet für die Landschaftsmalerei einen Einschnitt. Das künstlerische Ergebnis
des langen Kampfes bestand in einer Erweiterung des Stoffkreises: neben den religiösen und repräsen-
tativen Darstellungen finden genreartige Scenen, wie Jagden, Thierbilder, fruchttragende Bäume und
ornamental verwendete Blumen Raum, mit denen die bilderfeindlichen Kaiser ihre Paläste und Kirchen
ausstatten Hessen.1 Für die kaiserliche Familie sind die Handschriften entstanden, auf denen zum
ersten Male ausführliche Landschaften und architektonische Ansichten auftauchen.2 Vergleicht man
sie mit den rohen Localbezeichnungen auf den wenigen Miniaturen aus der Zeit des Bilderstreites3 oder
dem »archaischen Symbolismus« der volkstümlichen Psalterillustrationen,4 so liegt die Vermuthung
nahe, dass die Anregung zu den breit ausgeführten Hintergründen von jenen monumentalen Mosaiken
ausgegangen sei, wenngleich Landschaften unter ihnen nicht ausdrücklich bezeugt sind. Dafür spricht
auch ihre stilistische Verwandtschaft mit den altchristlichen Mosaiken; die von Labarte5 abgebildete
Landschaft aus den Homilien des heil. Gregor von Nazianz, der frühesten jener Prachthandschriften,
erinnert in ihrer Formensprache mehr an Werke wie den guten Hirten im Grabmale der Galla Placidia
zu Ravenna als an die späteren byzantinischen Miniaturen.

Auf den Bildern der eben genannten Homilien6 überwiegen noch die architektonischen Hinter-
gründe; das Streben nach bildmässiger Geschlossenheit des Raumes ist nur in wenigen Fällen von Er-
folg gekrönt. Erst in den ausgedehnten Hintergründen des vaticanischen Menologiums 7 und des Psalters
der Marciana 8 erreicht die byzantinische Landschafts- und Architekturenmalerei ihre eigenthümliche
Ausbildung und ihre Blüthe. Die Gestalten stehen vor schroffen Gebirgen oder prunkvollen, halb
phantastischen Gebäuden; mit den unvollkommenen Mitteln der überlieferten Perspective wird eine ver-
hältnismässig einheitliche Wirkung erzielt; die Renaissance der classischen Kunst, von der die zahl-
reichen Copien altchristlicher Manuscripte9 zeugen, spiegelt sich in der Aufnahme antiker, längst
vergessener Motive. Die in diesen Werken festgesetzte Formensprache wird lange zäh bewahrt und
findet sich noch auf den Mosaiken im Narthex der Chorakirche zu Constantinopel (Ende des XIII. Jahr-
hunderts).10 Doch daneben macht sich auch ein langsamer Verfall bemerkbar. Neue Motive treten seit
dem XI. Jahrhundert nicht mehr auf; die geläufigen stereotypen Elemente verkommen; die räumliche
Geschlossenheit weicht dem andeutenden Stil, der in achtlose Aneinanderreihung der typischen Formen
ausartet.

Die Entwicklung, die wir hier in wenigen Sätzen umrissen haben, lässt sich am besten an der
zusammenhängenden Kette der Miniaturen11 beobachten; die erhaltenen monumentalen Mosaiken be-

1 Die QueUenstellen sind bei Schnaase, Geschichte der bild. Künste, 2. Auflage, III, S. 227, gesammelt.

2 Homilien des heil. Gregor von Nazianz, zwischen 880 und 885 für den Kaiser Basilius den Macedonier entstanden:
Paris, Bibl. Nat., Manuscr. grecs Nr. 510; Kondakoff, a. a. O., II, p. 57, 58 ff. Menologium Vat., Cod. Grec. Nr. i6i3, und
der Psalter der Marciana für Basilios II. (975—1025); Kondakoff, a.a.O., II, 102 ff., und Tikkanen, Psalterillustration,
S. i35.

3 Logoi des heil. Gregor von Nazianz in der Ambrosiana: Kondakoff I, 162 f.: »Cette "Illustration naive, digne d'un
abecedaire, expose I'artiste au ridicule: une ville, une forteresse, un animal sont-ils cites dans le texte, on apercoit aussitöt
des representations informes des ces objets«.

4 Tikkanen, Psalterillustration, S. 21.

5 Labarte, Histoire des arts industriels III, p. 34—36; Album, pl. 81.

6 Labarte, a. a. O. III, p. 46; Abb. bei Rohault de Fleury, L'evangile.

7 Vgl. Fig. 10—12. Mangelhafte Stiche in der Ausgabe des Menologiums, die der Cardinal Albani veranstaltet hat (Meno-
logium Graecorum jussu Basilii imperatoris Graeci olim editum, studio et opera Annibalis Tit. S. Clementis Presbyteri Cardi-
nalis Albani, 3 voll.)

8 Abb. bei Labarte, Album.

' Vgl. oben S. 15, Anm. 4 und 5.

10 Kondakoff II, p. 14; Springer, Handbuch für Kunstgeschichte (1895) D, S. 49. Vgl. Fig. l3f.

11 Unsere Abbildungen Taf. I, I, 2 und Taf. II, I geben Miniaturen des griechischen Evangeliars der Wiener Hof-
bibliothek, Cod. theol. Graec. Nr. 3oo, das einst im Besitze des Andreas Contrarius war, wieder (Nessel, Catal. Cod. Manuscr.
Graec, p. 404; Lambecius, Comment. de August. Bibl. Caes. Vindobon. III, Nr. 28; Stiche bei Nessel und Lambecius II, p. 570
und 71). Die Miniatur mit dem heil. Matthäus (fol. Ii') ist so zerstört, dass sie nicht abgebildet werden konnte. Taf. II, 2 ist
dem Cod. theol. Graec. Nr. 240 entnommen. Die Evangelisten Matthäus (fol. 7'), Marcus (fol. 97'), Lukas (fol. 157'), Johannes
(fol. 255') stehen auf grünlichen Streifen vor goldenem Grunde, in den Architekturen und Bäume eingeritzt sind (Aehnliches
 
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