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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Kallab, Wolfgang: Die toskanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0034
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Die toscanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung.

29

Fresken wie auf Tafelbildern an.1 Vom XIII. Jahrhundert an herrschen auch die stilisirten Formen der
byzantinischen Landschafts- und Architekturdarstellung; hatten sie einheimische Ansätze zu verdrängen?

Die Frage darf trotz des geringen Denkmälermateriales, das veröffentlicht worden ist, verneint
werden. Auf den von oströmischen Einflüssen unberührten Miniaturen2 sind auch nicht die geringsten
Ansätze zu einer selbständigen Landschaftsdarstellung vorhanden. Berge kommen selten vor; der Boden
ist zumeist nicht angedeutet; Pflanzen und Bäume werden ornamental stilisirt. Nur architektonische
Prospecte entfalten sich reicher. Sie bestehen meist aus Bogenstellungen, die Mauern und Zinnen
tragen, und einfachen Stadtansichten und Häuserreihen, die ihren Ursprung aus der spätrömi-
schen Kunst nicht ver-
leugnen.3

In den byzanti-
nischen Landschaften,
mögen sie nun durch
die grossen Mosaik-
cyklen, die in Venedig
und Sicilien entstan-
den, oder durch Mi-
niaturen und Tafel-
bilder übermittelt wor-
den sein, lernten die
Italiener einen Zweig
der Malerei kennen, für
den es ihnen bisher
an Darstellungsmitteln
gefehlt hatte, und sie
eignen sich die frem-
den Formen an. In
ihren Aenderungen und
Umbildungen, an de-
nen häufig Ungeschick
und Missverständnisse

schuld sind, liegen doch auch die Keime für die weitere Entwicklung. Während die Formensprache
in den monumentalen Werken im Ganzen treu überliefert wird, verwildert sie in den Tafelbildern.
Betrachten wir die Gestaltung der Gebirge, der Vegetation und der Architekturen im Einzelnen.

Die Stilisirung der Gebirge als Conglomerate scharf geschnittener Quaderblöcke ist in ihrer ganzen
Strenge nur auf den Genesismosaiken von San Marco in Venedig anzutreffen. Der rissige Felsboden fehlt
auch in Florenz nicht. Die Mosaiken von Monreale (Fig. 16) zeigen eigenthümliche Verwilderungen; die
Berge runden sich zu Kuppen, die in Bündel quer abgeschnittener Felsfasern mit rundlichen Endungen
ausgehen und weiss gefleckt sind. Das byzantinische Felsenschema ist hier missverstanden worden und
die Stilisirung in kantige Blöcke verschwunden; die unmotivirten weissen Stellen an den Gipfeln der

Fig. 15. Mosaik aus der Capella Palatina, Palermo.

1 Mosaiken im Baptisterium von Florenz (XIII. Jahrhundert), sehr stark restaurirt. Fresken in San Francesco zu
Assisi, Oberkirche, Chorhaupt und Querschiffe; vgl. Thode, Franz von Assisi, S. 216 ff., 221 ff.; Wickhoff, Mittheilungen
des Institutes für österr. Geschichtsforschung X (1889), S. 281 f.; Thode, Repertorium XIII (1890), S. 32. Lieber die Tafel-
bilder s. unten, S. 3o, Anm. I.

2 Vgl. Miniature della Enciclopedia Medioevale di Rabano Mauro, Codice di Montecassino Nr. i32 dell'anno 1023,
Tipolitografia di Montecassino 1896, und die neue, von demselben Institut herausgegebene Publication der Exultetrollen;
Biblia Farfensis, Vaticana (XI. Jahrhundert), Cod. lat. 5729: Beissel, Vaticanische Miniaturen, Taf. XVII; Sermones aus Monte-
cassino, Vaticana, Cod. lat. 1202 (XI. Jahrhundert): ebenda Taf. VIII.

3 Architekturen auf den Fresken der Unterkirche von San demente zu Rom (XI. Jahrhundert): Roller, Saint Clement
de Rome, Paris 1873. Zimmermann, Giotto und die Kunst Italiens im Mittelalter I, Leipzig (Seemann) 1899, S. 235, 254.
 
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