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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Kallab, Wolfgang: Die toskanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0076
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Die toscanische Landschaftsmalerei im XIV. und XV. Jahrhundert, ihre Entstehung und Entwicklung.

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leuchtung der Landschaften dieser Meister hat gar keinen bestimmten Charakter und ihre Luftperspec-
tive beschränkt sich auf eine schwache Aufhellung der Ferne in dumpfen blauen Tonen.1

Mit dieser Richtung, die hauptsächlich von den grossen Frescanten eingehalten wird, geht eine
zweite parallel, die die allgemeine, fast schattenlose Helle der giottesken Malerei in eine Beleuchtung
umdeutet, wie sie im Freien bei bedecktem Himmel eintritt, wo die Schatten durch die lichten Reflexe,
die sie von allen Seiten treffen, aufgehellt werden und die Dinge sich in zarter Modellirung von ein-
ander abheben.2 Das erste erhaltene Beispiel dieser Belichtungsart ist das Altarbild des Domenico Vene-
ziano aus Santa Lucia de' Bardi in den Uffizien. Domenicos Schüler, Piero dei Franceschi, bildet sie
zum Freilicht um und überträgt sie, vielleicht unter dem Einflüsse niederländischer Vorbilder, auf die
Landschaft.3 Piero ist der erste moderne Maler, der entgegen der seiner Zeit geläufigen Gewohnheit
des Sehens bei heller Beleuchtung blaue Schatten zu malen wagte;4 niemand hatte vor ihm in Italien
die Spiegelung im Wasser exact wiedergegeben 5 oder die Luft als einen körperhaften trübenden Nebel-
schleier über der fernen Landschaft dargestellt.6

Pieros Freilicht ist das erste Beispiel einer consequenten Lichtbehandlung; in der zweiten Hälfte
des Jahrhunderts tauchen da und dort schüchterne Versuche auf, das Allgemeinlicht durch die Dar-
stellung besonderer Beleuchtungszustände zu ersetzen 7 und die Localfarben der Landschaft theils durch
die Luftperspective, theils durch farbige Reflexe zu verändern. Auf zwei Predellen von Giovanni
Boccati aus Camerino,8 deren Landschaft von Gozzoli beeinflusst ist, färbt die untergehende Sonne
den weissen Felsboden rothbraun und stimmt das Meer auf einen dunkelgrünen Ton; ihre rothen Re-
flexe treffen die Spitzen der Bäume und Gräser und umsäumen die weissen Wölkchen über dem Hori-
zonte. Auf den frischen Wiesenlandschaften des Fiorenzo di Lorenzo9 liegt Abendroth; die lichten
blauen Töne der tieferen Gründe leiten zu der Helle über, die über dem Horizonte schwebt; Wolken
ziehen und treiben auf dem hohen Himmel. Hier sind schon die Themen angeschlagen, die der
umbrischen Landschaftsmalerei zu ihrer Grösse und ihrem weitreichenden Einfluss verholfen
haben.

Verrocchios »Taufe Christi« ist das einzige vor den Werken Filippinos und den Fresken der
Sixtinischen Kapelle entstandene Bild, wo die Landschaft durch eine einheitliche Stimmung zu-
sammengehalten wird. Der Mittelgrund, die weite, von einem Flusse durchzogene Ebene ist in Halb-
dunkel gehüllt; die fernen Berge sind in volles Licht getaucht, das mit grosser Bestimmtheit von der
linken Seite eingeführt ist und einen lichten Schein über den Horizont breitet, der sich gegen das
Hügelland rechts verliert. Die Luft ist nicht durchsichtig sondern wirkt wie ein trübes Medium, so
dass die Gebirge nur in ihren grossen Licht- und Schattengegensätzen hervortreten.

Auf den Fresken der Sixtinischen Kapelle ist das Allgemeinlicht verdrängt. Eine sanfte Dämme-
rung breitet sich über die landschaftlichen Gründe, das Grün der Wiesen und des Baumschlages ist
gedämpft und selbst die Localfarben in den Gewändern der Figuren im Vordergrunde sind tief ge-
stimmt. Der Umschlag, der in der ganzen Naturauffassung eingetreten ist, gibt sich auch in der Wahl
der Motive kund. Nicht alle bedeutenden Landschaftsmaler der Zeit sind vertreten. Filippino Lippi
und Leonardo da Vinci fehlen und Peruginos Bedeutung lässt sich nur aus den Leistungen seines Ge-

1 Andrea del Castagno, Kreuzigung; Baldovinetti, Geburt Christi (Fig. 3i).

2 Lionardo da Vinci, Das Buch von der Malerei II, S. 220, Nr. 812.

3 Vgl. Witting, a. a. 0., S. 52.

4 Geburt Christi, London, National Gallery: Witting, a. a. O., S. 55; cf. die Taufe Christi, ebenda: Witting, S. Ii3.

5 Taufe Christi.

6 Bildnis des Herzogs von Urbino und seiner Gemahlin in den Uffizien; vgl. Fig. 39.

7 Die naiven Versuche des Gentile da Fabriano an den Predellen zu seiner Anbetung der Könige (Florenz, Akademie),
wo die Sonne durch eine plastische goldene Scheibe und der gestirnte Nachthimmel durch ein Sternmuster auf dunklem
Grunde wiedergegeben wird, gehören nicht hieher. Ueber den Mondschein auf Ucellos Jagdscene in der Universitätsgallerie
zu Oxford vgl. Loeser im Repertorium XXI (1898), S. 88.

8 Perugia, Galleria comm, Sala di Buonfigli, Nr. 20.

' Perugia, Galleria comm., Scenen aus dem Leben des heil. Bernhard: Lermolieff, Die Werke der italienischen
Meister in den Gallerien von München, Dresden und Berlin, Leipzig 1880, S. 3oo ff.
 
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