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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Graeven, Hans: Typen der Wiener Genesis auf byzantinischen Elfenbein-Reliefs
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0104
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Typen der Wiener Genesis auf byzantinischen Elfenbeinreliefs. gg

segnend. Die Schrägtheile des Deckels, die Seitenwände des Kastens schildern das Leben Davids von
seiner Geburt bis zu seiner Krönung. Ein um mehrere Jahrhunderte jüngerer Kasten in Sens,1 der
zwölfeckige Grundform hat, enthält zwei grosse Reliefcyklen, zwölf Scenen aus dem Leben Davids,
vierundzwanzig aus dem Leben Josefs. Zwischen diesen Josefdarstellungen und unseren beiden kleinen
Trapezen besteht eine Typengemeinschaft ebensowenig wie eine stilistische Verwandtschaft; dagegen
verrathen zwei Reliefs in Berlin (Fig. 8, 9)2 trotz ihres total verschiedenen Stilgepräges, dass sie von
denselben Typen abhängig sind, die uns die beiden Trapeze repräsentiren.

Als Didron im Jahre 1858 über die Fälschungen des M. Pierrat und dessen gerichtliche Be-
strafung Bericht erstattete,3 wies er hin auf die blühende Fabrication von Antiquitäten in Deutsch-

Fig. 9. Elfenbeinrelief in Berlin.

land und als zwei neu erkannte Beispiele unechter Elfenbeinwerke, die im Berliner Museum Aufnahme
gefunden hätten, machte er die beiden Josefreliefs namhaft und ein Diptychon,4 das auf der einen Seite
Christus zwischen Petrus und Paulus, auf der anderen die Madonna zwischen zwei Engeln trägt. Der
Bannstrahl des französischen Gelehrten hatte zwei Unschuldige getroffen. Das Hauptindicium der
Unechtheit am Diptvchon war für Didron der hier auf dem unteren Rande sichtbare Buchstabe C; er
sollte das Handzeichen des Fälschers sein. Vor einigen Jahren hat Smirnow gesehen, dass ausser diesem
C noch die Köpfe weiterer Buchstaben vorhanden sind, deren untere Theile weggeschnitten worden
waren; die Reste genügten indess, um festzustellen, dass hier dasselbe Monogramm gestanden hat, das
sich an der Front des elfenbeinernen Bischofstuhles in Ravenna findet. Um die Frage nach dem stilisti-
schen Zusammenhang des Diptychons und der Kathedra, der von vielen Forschern beobachtet war,
gründlich zu erörtern, veranlasste ich im Vorjahre die Verwaltung des Berliner Museums, einen Ab-
guss ihres Monuments an das Museum in Ravenna zu schenken, und dort konnte ich in Gemeinschaft

geschicklichkeit im Einzelnen ungeheuer lebendig, zeigen mehr Ausdruck als irgend ein anderes byzantinisches Werk. Ex-
ceptionell ist auch die kräftige Bemalung mit Roth und Grün, von der noch zahlreiche Spuren vorhanden sind. Es ist
schwer, einem solchen singulären Werk seinen Platz in der Kunstentwicklung anzuweisen. Am wahrscheinlichsten ist mir
seine Entstehung unmittelbar nach Beendigung des Bilderstreites, um die Mitte des IX. Jahrhunderts.

1 Abbildungen bei Miliin, Voyage dans les departements du Midi de la France, Paris 1807, Taf. 9, 10; Chartraire, In-
ventaire du Tr&or de l'eglise de Sens, Sens et Paris 1897; Schlumberger, Un empereur byzantin au dixieme siecle, Nicephore
Phocas, p. 649. Die erste Abbildung ist zu ungenau, die anderen sind zu klein, um ein richtiges Bild von diesem wichtigen
Monument zu geben. Eine grosse Publication der Reliefs, etwa in den Monuments Piot, würde hochwillkommen sein.

2 Bode und v. Tschudi, Beschreibung der Bildwerke der christlichen Epoche, Nr. 434, 435, Taf. LV. Die Reliefs
wurden 1854 erworben; wie mich die Durchsicht alter Auctionskataloge lehrte, befanden sie sich früher in der Sammlung
Leven. S. Catalogue de la collection des antiquites qui composent le cabinet de feu M. Pierre Leven ä Cologne, Vente
4. Oct. 1853 sous la direction J. M. Heberle.

3 Annales archeologiques XVIII (1858), p. 3oi ff.

4 Abbildung bei Bode und v. Tschudi, a. a. O., Taf. LV, 428, 429; Garrucci, a. a. O. VI, tav. 451, 1, 2; vgl. Jahrbuch
der königl. preussischen Kunstsammlungen XIX (1898), S. 83, Anm. 3.

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