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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Graeven, Hans: Typen der Wiener Genesis auf byzantinischen Elfenbein-Reliefs
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0116
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Typen der Wiener .Genesis auf byzantinischen Elfenbeinreliefs. III

der den Verkauf besorgt, ist beweisend für das hohe Alter der Composition. Nur in einer Zeit, als die
Rechtsbräuche beim Sclavenverkauf noch lebendig waren, ist es erklärlich, dass bei der Darstellung
vom Verkauf Josefs ihm die rechte Hand des Verkäufers aufs Haupt gelegt wurde. In der Kornaus-
theilung spricht für das hohe Alter des Typus die Gewandung Josefs und des Schreibers; denn, als
das Relief entstand, ward in Constantinopel die Chlamys nicht mehr getragen und sie wurde in Folge
dessen vom Elfenbeinschnitzer nicht mehr richtig verstanden. In der letzten Scene finden wir ein so
feines Motiv, dessen Erfindung wir dem späten ungeschickten Künstler nicht zutrauen dürfen. Dem
ängstlichen Kinde gleich hat der eine Bruder Josefs mit der einen Hand den Rand seines Chitons er-
fasst und hochgezogen; die Bewegung dient dazu, die Verlegenheit des bäurischen Mannes auszu-
drücken, der seinem hochstehenden Bruder, an dem er sich früher vergangen hat, wieder gegenüber-
treten soll. Die ganze Darstellung der Ankunft Jakobs in Aegypten ist recht im Sinne der Genesis-
bilder, in denen wir manche Scene mit viel Detailmalerei breit ausgesponnen sehen. Besonders der
Gedanke, den Wagen anzubringen, den Josef als liebevoller Sohn seinem Vater zur Reise gesandt hatte,
darf als charakteristisch gelten für den Schöpfer so vieler anderer Bilder, in denen die Familienliebe
stark betont ist.

Die Thatsache, dass die Typen der Wiener Genesis viele Jahrhunderte nach der Entstehung des
Codex nachgebildet worden sind, zwingt uns, das Urtheil Wickhoffs über die Handschrift zu modifi-
ciren. Ihm erscheint sie als ein für sich stehendes Unicum im Gegensatze zu der Cottonbibel und dem
vaticanischen Rotulus; er hält die Bilder der Genesis für Originalwerke, die von verschiedenen Künstler-
händen eigens zur Illustration gerade dieses Buches geschaffen worden sind. Die Wiener Genesis ist
ebenso wie die beiden anderen alttestamentlichen Bibelhandschriften nichts Anderes als die zufällig
erhaltene Vertreterin einer der zahlreichen Bilderredactionen, die in frühchristlicher Zeit entstanden
und in vielen Copien verbreitet wurden. Daher ist es möglich gewesen, dass im IX. Jahrhundert die
byzantinischen Reliefbildner, die nach alten Mustern für ihre Erzeugnisse suchten, auch ein Exemplar
jener Redaction benutzen konnten, der die Wiener Genesis angehört.

Fig. 17. Miniatur des Vat. Graec. 747.
 
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