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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0130
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Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.

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In einer in Bologna (dafür spricht wenigstens eine vorangesetzte Bulle Bonifacius VIII. an die
Universität Bologna) entstandenen Handschrift der Decretalen Bonifacius VIII. in der Wiener Hof-
bibliothek (Cod. 2042) rühren die reizenden Miniaturen zu dem am Schlüsse angefügten arbor affini-
tatis und arbor consanguinitatis entschieden von Niccolö da Bologna her. Sowohl die Darstellung des
Stammvaters zum arbor consanguinitatis als auch die dem arbor affinitatis gewidmete Miniatur zeigen
ganz die Eigenarten des Meisters; besonders die letztere ragt durch hohe Vollendung hervor. Die
Verkündigung unten, die geradezu an Gestalten der spanischen Kapelle erinnernden Figuren eines
jungen Mannes und eines jungen Mädchens, zwischen denen auf einem Baume Amor mit rothen Flügeln
und verbundenen Augen seine Liebespfeile entsendet, sind voll Anmuth. Auch der dunkle, mit Gold-
spiralen gezierte Hintergrund, der für Niccolö so charakteristisch ist, findet sich wieder. Wie hoch
Niccolö über den zeitgenössischen Miniatoren Bolognas steht, lehrt ein Vergleich mit den höchst un-
beholfenen, rohen Miniaturen der Decretalen desselben Bandes.

Daran möchte ich eine besonders prächtige Handschrift der Tragödien des Seneca in der k. k. Un i-
versitätsbibliothek in Innsbruck (Cod. Nr. 87) schliessen, die um so interessanter ist, als meines
Wissens bisher keine von Niccolö minirte Classikerhandschrift bekannt war. Vor jedem der zehn Dramen
ist in einem grossen Initialbild auf ultramarinblauem oder goldenem Grunde eine Scene der nachfolgen-
den Tragödie dargestellt, die durch treffliche Charakteristik, Klarheit der Composition und geschickte
Wahl der Situation hervorragt. Besonders frisch ist das Colorit, in dem ein helles Rosa, Ultramarin-
blau und Gold vorherrschend sind. In einem rechteckigen Bildchen des Titelblattes (f. 3), in dem die
vier Cardinaltugenden mit einem blau und silber getheilten Schild dargestellt sind, findet sich wieder
der oben genannte, von dichten goldenen Spiralranken belebte schwarze Hintergrund, wie ihn Niccolö
so gerne anwendet. Der Stil weist diese reizenden Miniaturen in die Periode der zweiten Manier des
Niccolö di Bologna, also in das letzte Viertel des XIV. Jahrhunderts. Die Sorgfalt der Ausführung,
die treffliche Individualisirung der Figuren, die trotz der Naivetät der Auffassung eines ernsten Ein-
druckes nicht entbehren, sowie die Schönheit des Colorits sichern der Handschrift einen hohen Rang
unter den Werken des Niccolö da Bologna.

Etwas älter erscheint mir ein Breviarium Romanum der Biblioteca comunale in Trient (mit
der Signatur 1563), bei dessen Ausführung dem Meister freilich Gehilfen zur Seite standen; in einzelnen
besonders reizenden Initialbildchen verräth sich allerdings deutlich die Hand des Meisters, so z. B. in
einer Initiale C (f. 246') mit der Darstellung der Himmelfahrt Christi oder in der Verkündigung in der
Initiale D auf f. 36i', Bildchen von ausnehmender Schönheit.

Neben Niccolö di Giacomo war im XIV. Jahrhundert eine ganze Reihe von Miniatoren in Bologna
thatig, die aber künstlerisch stark in den Hintergrund treten. Jedenfalls war neben Florenz Bologna
ein bedeutsames Centrum der Miniaturmalerei des Trecento und leistete darin relativ mehr als in der
Tafelmalerei, die doch nur von Giottisten von untergeordneter Bedeutung gepflegt wurde.

Kläglich und unbedeutend erscheint dagegen im XIV. Jahrhundert die Kunstthätigkeit Ferraras.
Nur wenige Nachrichten bieten uns Anhaltspunkte und die erhaltenen Reste der ferraresischen Malerei
sind kaum nennenswert. Das einzige künstlerisch wirklich hervorragende Werk, Giottos Fresken im
Palast der Este und in S. Andrea, ist — wie erwähnt — untergegangen. Höchst verworren sind die
Nachrichten über die Thätigkeit einheimisch ferraresischer Meister dieser Zeit. Für einen Zusammenhang
mit den Künstlern von Bologna und Verona erscheint bemerkenswerth, dass ein Galasso in S. Maria
Mezzaratta bei Bologna arbeitete, sowie ein Stefano da Ferrara als Gehilfe des Miretto im Salone zu
Padua und wohl ein anderer Maler desselben Namens als Zeitgenosse des Altichiero genannt wird.

Auch an Miniaturen ist uns aus dem XIV. Jahrhundert so wenig aus Ferrara erhalten, dass
wir uns kein klares Bild von dem Stilcharakter der ferraresischen Miniaturmalerei je ner Zeit machen
können. Bei einem Officium der Biblioteca comunale zu Forli (ohne Signatur; in einer Vitrine aus-
gestellt),1 in welchem sich (f. 247) die Schlussnotiz »Dompnus Bartholomeus, rector ecclesiae sanctae

1 Giuseppe Mazzatinti, Inventari dei manoscritti delle biblioteche d'Italia, Forli 1890, vol. I: Forli.
XXI.

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