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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0133
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Hermann Julius Hermann.

sein, dessen Handschriftenschätze der herzoglichen Bibliothek einverleibt wurden. Ueber die Miniaturen
in den Codices enthält das Inventar nur wenig Angaben; gewöhnlich wird nur auf die Wappen des
Titelblattes verwiesen, während die Einbände genauer beschrieben sind. Von einer »Fortino« betitelten
Handschrift erfahren wir, dass auf dem Titelblatt Allegorien der »justizia et temperanza et gola et
stultitia« dargestellt waren; ein Codex »el troiano« enthielt »el re Priamo che gie fu taiada la testa«,
ein anderer Codex mit einigen von Bernardo di Monsalti verfassten Versen an den Herzog enthielt »la
soa imagine trata dal naturale«, also ein Portrait Niccolö III.; und Aehnliches findet sich mehrfach.

Ueberraschend gross ist die Zahl der französischen Handschriften; Niccolö III. besass nicht weni-
ger als 58 französische Manuscripte. Ueberhaupt scheint Niccolö ein Freund französischer Literatur ge-
wesen zu sein, wie er ja auch seinen Kindern Namen von Helden der französischen Dichtung, wie Melia-
duse, Isotta, Ginevra, gab. In Niccolös Bibliothek treffen wir unter Anderem französische Handschriften
des Lancelotto, Gutife de Buione, Fiorio e Biancifiore, Tristano (aus Parisinas Besitz), San Gradale, l'As-
promonte, Merlino, la tavola redonda, roman dala roxa, Rolando u. a. m.; darunter befinden sich auch
solche mit Miniaturen, zum Theil von italienischen Meistern, sowie auch die Einbände zum Theil von
italienischen Buchbindern »a la fiorentina« hergestellt wurden.

Das Registro di lettere e mandati del Marchese Niccolö III. im Archivio di stato zu Modena
macht uns auch mit einigen für den Marchese beschäftigten Miniatoren und Schreibern bekannt, unter
denen mehrere toscanischer Herkunft sind; in Ferrara gab es nur wenige bedeutendere einheimische
Meister, während Toscana, vor allen Florenz und Arezzo, eine rege Production an minirten Hand-
schriften entfaltete.

Franceschino. Zunächst sei Franceschino 1 genannt, der für den Marchese 1422 eine reich geschmückte Bibel

in Angriff nahm, für die er 100 Goldblätter, 2 Unzen Ultramarin und 1 Unze Firnis benöthigte und
20 Ducaten erhielt. 1422 lieferte er ein »libro da le medexine de Ii chavali«2 sowie einen Codex der
Metamorphosen des Ovid. In einer Urkunde vom 2. Mai 1424 wird er Bürger von Ferrara genannt und
ihm behufs einer Reise nach Modena ein Pass ausgestellt; 1437 war er bereits todt, da sein Sohn Marco
»del fu Franceschino« erwähnt wird (Cittadella, Notizie . . ., p. 638; vgl. Anhang, Nr. 1 — 3). Er war
Francesco Schreiber und Miniator wie Francesco da Codegoro, der als Mansionarius des Domes 1437 zwei

da Codegoro. psaiterien für die Söhne Niccolös III., 1435 und 1436 unter Anderem ein Manuale parvum für den Dom
ausführte; noch 1455 war er im Auftrage Borsos an einem Graduale für die Kirche in Belfiore thätig.
Wie ich vermuthe, ist uns das Manuale parvum des Domes in einer Handschrift des Britischen
Museums in London erhalten (Add. Ms. 28.025: »Manuale parvum ecclesiae maioris Ferrariensis«),
deren Titelblatt mit einer rohen Randleiste aus bunten Akanthusranken mit Goldpünktchen geziert ist,
die eine Verwandtschaft mit der später zu besprechenden Caesarhandschrift des Falconi (Modena,
Biblioteca Estense, Codex lat. CCCCXXI) hat, sicherlich aber derselben Zeit angehört. Auch hier
finden sich Köpfchen und Masquerons als belebendes Element in die Randleisten eingefügt, während
ein kleines rohes Bildchen am Rande unten den Patron Ferraras, St. Georg, darstellt (vgl. Anhang,
Nr. 4 und 5).

Giacomo Vielbeschäftigt scheint Giacomo Bussoli, genannt Jacopino d'Arezzo,3 gewesen zu sein, der

Bussoh. x/ß^—!^38 0ft in Rechnungsbüchern erwähnt wird. Er bewohnte ein Zimmer im Castell, wo er für
den Marchese arbeitete. 1434 schmückte er für io3 Lire marchesane ein libro da canto und eine Bibel
in französischer Sprache mit 1563 grösseren und 11.412 kleineren Initialen, 1436 und 1437 führte er

Rayna (Ricordi di codici francesi posseduti dagli Estensi nel secolo XV, im II. Bande der Romania, p. 49—58) setzt das In-
ventar ins Jahr 1437; vgl. ferner Jules Camus, Notice et extraits des Manuscrits francais de Modene anterieurs au XVI" siecle,
in der Revue des langues romaines, serie IV, vol. V (1891) und desselben: Codici francesi della R. Biblioteca Estense, im I.
und II. Bande der Rassegna emiliana.

1 Giuseppe Campori, Notizie dei miniatori dei principi Estensi, in: Atti e memoria delle RR. deputazioni di stona
patria per le provincie modenesi e parmensi, vol. VI, Modena 1872; auch als Separatabdruck erschienen.

2 Eine lateinische Ausgabe, 1422 für Niccolö III. ausgeführt, befand sich in der ehemaligen Biblioteca Costabili (Nr. 257)
in Ferrara.

3 Cappelli, a. a. O., zu Nr. 199; Campori, a. a. O., Docum. II und III.
 
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