Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0143
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
138

Hermann Julius Hermann.

feltre weisen nach Florenz, während gerade nur die künstlerisch untergeordnetsten ferraresischen
Manuscripte diese Astverschlingungen enthalten, wie z. B. der Cod. ital. XXVI in Modena, eine für
Leonello ausgeführte Handschrift der Theogonie des L. B. Alberti, oder ebendaselbst ein »libro della
mareschaltia de' cavalli« (Cod. ital. CX1I). Viel verbreitet in den ferraresischen Manuscripten sowie
in den von Ferrara abhängigen Miniatorenschulen des XV. Jahrhunderts in Bologna, der Emilia und
zum Theil in Mailand sind vielmehr Randleisten aus äusserst zarten, mit der Feder gezeichneten
schwarzen oder goldenen Spiralen, die, feinst gewebten Spitzen vergleichbar, die Seite rings um-
ziehen; in diesen Spitzengrund, wie ich ihn der Kürze halber nennen möchte, sind bunte, stilisirte
Blüthen und breite Akanthusranken in Carminroth, Ultramarin und Gelblichgrün eingemalt und in
ausgesparten Medaillons trefflich ausgeführte Thiere eingefügt. Diese Thierbilder zeigen über-
raschendste Naturbeobachtung und trefflichste Charakterisirung, die wohl auf den Einfluss des Pisa-
nello zurückgehen mag, und bilden ein der ferraresischen und bolognesischen Miniaturmalerei eigen-
artiges Decorationselement. Daneben finden sich fast durchgehends auch noch die Devisen und Em-
bleme der Este in Medaillons eingesetzt. Dieser Decorationsstil, der sich wohl schon unter Leonello
entwickelt hat und uns vollkommen ausgebildet unter Borso entgegentritt, herrscht bis in den Anfang
des XVI. Jahrhunderts und erst unter Ercole I. tritt ihm eine neuartige Decoration an die Seite, die an
gegebener Stelle charakterisirt werden soll.

Abweichend von dieser ferraresischen Decoration ist das umfangreichste Werk aus der Zeit
Die Coraii Leonellos: die i3 Corali der Olivetaner von S.Giorgio fuorilemura, von denen sieben, mit
von s'oiorgio ^en nervorragerldsten Schätzen der Biblioteca comunale vereint, gegenwärtig in dem 1898 errichteten
fuori ic mura. Museo civico im Freskensaale des Palazzo Schifanoja aufgestellt sind,1 und zwar:

E (Südwand: Vitr. VI, Nr. 3): Proprium sanetorum (I. Theil).

F (Südwand: Vitr. V, Nr. 3): Proprium sanetorum (II. Theil).

G (Südwand: Vitr. V, Nr. 1): Commune sanetorum.

J (Ostwand: Vitr. IV, Nr. 1): Psalterium secundum consuetudinem monachorum montis Oliveti.

L (Nordwand: Vitr. I, Nr. 1): Graduale diurnum per anni circulum.

N (Südwand: Vitr. VI, Nr. 1): Graduale festivum per anni circulum.

O (Südwand: Vitr. VI, Nr. 2): I" pars psalterii sec. ritum monachorum montis Oliveti.

Die circa 40 cm breiten und 60 cm hohen Manuscripte sind in braunen Lederbänden gebunden und
reich mit Miniaturen geschmückt. Bedeutsam sind diese Corali, weil sich dreimal der Name eines
Miniators findet, und zwar:

in dem Graduale L auf f. 29' in einer kalligraphisch gezierten Initiale J links: »Gmfortus de Mediolano 1449«;

und auf einem im Rückdeckel eingeklebten Pergamentblatt links in der kalligraphischen
Verzierung der Initiale A (»Ad honorem omnipotentis dei et beatissimae virginis Mariae et
beatorum martyrum eius Georgii et Maureiii totiusque curiae celestis amen«): »Ego enim
sum minimus omnium miniatorum Guinifortus de Vicomerchato Mediolanen-
sis 1449 aug.«; endlich noch einmal

in dem Graduale N in der Initiale A des Schmutzblattes (»Ad honorem omnipotentis dei etc.«): »Guinifortus
de Vicomerchato Mediolanensis hoc opus miniavitanno domini 1449 die primo
decembris« (Fig. 5).

Aus dieser Bezeichnung geht hervor, dass Guinifortus de Vicomercato, also ein Lombarde,
das Graduale L im August, das Graduale N im December 144g minirte. Nun findet sich aber diese
Signatur nicht in einer Miniatur sondern in einer kalligraphisch verzierten Initiale, so dass zunächst
als sicher anzunehmen ist, dass Guinifortus diese vortrefflichen Initialen gemalt hat. Darin erweist
sich Guinifortus als ein Meister der Kalligraphie; denn die Decoration mit den gothischen Masswerk-
elementen ist mit ausserordentlichem Geschmack und höchster Feinheit durchgeführt. Auch in den
übrigen Corali der Olivetaner finden sich Initialen dieser Art. Die Miniaturen der sieben Bände
zeigen jedoch wenigstens zwei verschiedene Hände. Die beiden genannten Graduale L und N, in

1 Leider haben die Codices im Museo di Schifanoja keine Signatur, so dass ich mit Hinweis auf die Location die auf
den Vordeckeln stehenden Bezeichnungen mit Buchstaben anführe. Die sechs übrigen Corali (Antifonarien etc.) sind noch in der
Biblioteca comunale.
 
Annotationen