Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0146
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.

141

Eine kleine colorirte Federzeichnung auf f. 24' stellt die Ceremonie der Uebergabe des Gesetzbuches
und des Richterstabes durch den »iudice de Savii« an Borso in Gegenwart der »Savii« und des
Bischofs dar. Den feierlichen Act der Erhebung zum Herzog illustrirt die colorirte Federzeich-
nung auf f. 3i, die dadurch an Interesse gewinnt, dass die anwesenden Personen durch Beischriften
bezeichnet sind (Fig. 10). In der Mitte thront unter einem Baldachin Kaiser Friedrich III., ihm zu
Füssen sitzt sein jüngerer Bruder Herzog Albrecht VI. (im Text als »duca Alberto« bezeichnet); im Vorder-
grunde kniet Borso (mit dem Herzogshut), an den der Kaiser eine Ansprache hält. Zur Seite des
Kaisers stehen die Würdenträger des Reiches: links der Markgraf von Meissen (»marchese di Misnia«)
mit dem Reichsapfel und der Graf von Maimburg (»conte di Maimburg«) mit dem Scepter; rechts der
Herzog von Sachsen (»duca di Saxogna«) mit dem Reichsschwert; weiter im Vordergrunde, schon durch
ihre italienische Zeittracht kenntlich, die »Baroni« von Ferrara als Zeugen, die durch Beischriften gekenn-
zeichnet sind, und zwar links: »Galassius de Piis« von Carpi und »d(ominus) Antonius de Corigio« ; rechts
Borsos Referendar »Ludovicus Casela« (Casella) mit dem Herzogsstab und der »Comes Laurentius«,
das ist Lorenzo de'Strozzi. Das Bildchen, dessen Zeichner sich der mantegnesken Richtung anschliesst,

ist von historischem Interesse, da es einen der bedeutsamsten Momente in der Geschichte Ferraras
festhält und sicher nicht lange nach dem Ereignis entstanden ist. Seit dieser Zeit suchte Borso auch
den Papst zu bestimmen, ihm die Herzogswürde von Ferrara zu verleihen; doch erst kurz vor seinem
Tode hat Borso dieses Ziel erreicht, als ihn Papst Paul II. am 14. April 1471 zum Herzog von
Ferrara ernannte.

Borso war ein Freund der Wissenschaften und Künste, die unter ihm zu hoher Blüthe gediehen.
Er verstand nicht Latein, weshalb er zahlreiche Werke ins Italienische übersetzen liess. Dagegen war
er ein Bewunderer der französischen Literatur; sie war in seiner Bibliothek durch zahlreiche Hand-
schriften vertreten,1 die in einer eigenen Gruppe von 59 Handschriften als »Gallici« im Inventar der
Bibliothek Borsos (1467) verzeichnet erscheinen. Diese Bevorzugung französischer Literatur und Sitte
war von grossem Einflüsse auf das Leben am Hofe der Este, die nicht nur Namen der französischen
Romandichtung (Meliaduse, Isolla, Ginevra) führten sondern sich auch mit den Rittern der Tafelrunde
verglichen. Ihre grösste Wirkung äusserte sich aber in der französischen oder sogenannten burgundi-
schen Tracht der vornehmen Damen und Herren, wie wir sie in Zeichnungen des Pisanello und auch
noch in den Schifanojafresken antreffen. Sein besonderes Interesse wendete Borso der Entwicklung der
Kunst zu. Durch Erweiterung von Kirchen und Palästen trug er zur Verschönerung der Stadt bei, die
unter seiner Regierung einen grossen Aufschwung nahm. Borsos Lieblingsstiftung, die 1452 gegründete

1 Vgl. das Inventar der Libreria di Borso d'Este vom Jahre 1467, in L. N. Cittadella, II castello di Ferrara 1875, App. t.
XXI. 19

Fig. 10. Die Erhebung Borsos zum Herzog von Modena durch Kaiser Friedrich III.
(Ravenna, Cod. Nr. 3o2, f. 3i.)
 
Annotationen