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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0170
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Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.

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Niccolö Tedesco (offenbar Niccolö Nigresuolo) und einen »Gregoro«, die »cartolaio« genannt werden,
verschiedene Miniaturen in Officien, in einer Donatushandschrift, einem Psalterium, einer Handschrift
der Briefe des heil. Hieronymus, einer Handschrift des Cicero »de offitiis« (bei der ihm Giovanni da
Lira behilflich war; vgl. Anhang, Nr. 105) u. a. m. aus, Arbeiten von untergeordneterem Werthe (vgl.
Anhang, Nr. 91, 94, 95, 98, gg, 102, io3, io5, 106, 107, 109, 110, 111 und 112); ebenso war er für
einen Fra Benedetto dai Servi (vgl. Anhang, Nr. g3, g6, 101 und 104) und Andere mit kleineren Arbei-
ten beschäftigt, für die er eine recht bescheidene Entlohnung erhielt. Bedeutsamer war die Vollendung
eines von »Zoane tedesco«, einem seiner Gehilfen an der Borsobibel, begonnenen Missale für Piero
degli Ambrosi (vgl. Anhang, Nr. g7) sowie die Ausschmückung eines für Malatesta di Cesena bestimm-
ten Codex des Tractates des heil. Augustinus über das Evangelium des Johannes, bezüglich welches er
am 5. Februar 1452 mit dem Arzte Franceschino da Verona (vgl. Anhang, Nr. 89 und 90) den Ver-
trag schliesst, dass er für jede grössere Initiale 5 Soldi, für jede kleinere 6 Den. erhalten sollte. 1461
malt er eine Intiale in einer Regola dei Certosini für die Certosa,1 1465 für Teofilo Calcagnini, den
Höfling des Herzogs, Miniaturen in verschiedenen Codices, und zwar der »Quadriga di fra Nicolö
da Osimo«, »Cronache di Francia«, einem in italienischer Sprache abgefassten Werk des Alberto
d'Allemagna und einem »libro delle cose oltremare« (vgl. Anhang, Nr. n3, 115 und 116). Von all'dem
ist uns — wie es scheint — nichts erhalten; ebenso sind ein Officium der Bianca d'Este, ein »Spagna«
betitelter Codex (vgl. Anhang, Nr. 114) sowie ein Officium für Polidoro d'Este verschollen. Auch von
seinen Miniaturen zu Boccaccios »Decamerone« (1467) sowie jenen zu einem Werke des Carlo di
S. Giorgio über die Verschwörung des Giovanni Lodovico Pio gegen Borso (vgl. Anhang, Nr. 118 und
120) haben wir keine Spur mehr. Ob er eine zweite Bibel für den Herzog ausgeführt hat, erscheint
zweifelhaft, weil sich Campori (a. a. O.) irrthümlich zweimal auf ein und dasselbe Document beruft,
in welchem die Auszahlung von 15 Goldgulden für das Titelblatt der Bibel des Herzogs Borso (1463)
erwähnt wird. Bald nach Borsos Tod hat Crivelli Ferrara verlassen und sich nach Bologna ge-
wendet; 1474 wenigstens wird ein von Crivelli begonnenes Breviar dem Antonio Maria Casanova
zur Vollendung übergeben. Crivelli scheint eine grosse Werkstätte besessen und zahlreiche Gehilfen
beschäftigt zu haben. Denn in dem genannten »libro di comto« des Crivelli wird der Betheiligung
von Gehilfen Erwähnung gethan; so bei einem für Fra Benedetto dai Servi bestimmten Officium,
in welchem Giovanni da Gaibana die Randleisten eines Titelblattes mit dem Spitzengrund versah
(»amenio de pena«), 1455 war Crivelli mit der Ausschmückung eines von »fra Chiemento« (Fra de-
mente) geschriebenen Missales beschäftigt, in welchem Giovanni da Lira (Crivellis Gehilfe an der Borso-
bibel) eine Randleiste um die Darstellung des Crucifixes ausführte, die Franco Russi mit 1 Lire 15 Soldi
bewerthete (vgl. Anhang, Nr. 33 und 101). Vielleicht ist dieses Missale identisch mit dem Missale Borsos
in der Biblioteca Estense zu Modena (Cod. lat. CCXXXIX), dessen Miniaturen ich der Frühzeit desTad-
deo Crivelli zuschreiben möchte. Campori (a. a. O.) vermuthete in dieser Handschrift ein kostbares, 1449
bis 1457 von Giorgio d'Allemagna für Borso ausgeführtes Missale, welches dem Meister 200 Lire ein-
trug. Mit Recht hat schon Venturi 2 — der allerdings kein authentisches Werk des Giorgio gekannt

hat _ auf die Haltlosigkeit der Behauptung Camporis aufmerksam gemacht. Venturi findet nichts

Deutsches in den Miniaturen sondern unterscheidet zwei Miniatoren: einen unter paduanischem Ein-
fluss stehenden Meister und einen Ferraresen. Auch ist der Kunstwerth der Miniaturen zu unter-
geordnet, als dass ein so gewandter Meister wie Giorgio d'Allemagna acht Jahre daran gearbeitet hätte.

Gegen Camporis Hypothese sprechen aber auch äussere Indicien: erstens findet sich auf dem
Titelblatt (f. 7) das Herzogswappen und die Embleme Borsos, während das Missale des Giorgio noch
unter Leonello begonnen wurde; zweitens stimmen die Miniaturen nicht mit den dem Giorgio d'Alle-
magna angehörenden Miniaturen des Quinternio { der Borsobibel. Hingegen überzeugt uns ein gründ-

1 Campori, Notizie dei miniatori . . ., p. 252.

2 A. Venturi, L'arte a Ferrara nel periodo di Borso d'Este, in der Rivista storica italiana II, p. 689 ff.; und zum Theil
abgedruckt in dessen: »La miniatura ferrarese nel secolo XV e il Decretum Gratiani«, im IV. Bande der Gallerie nazionali
italiane (p. 187 — 204).

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