Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0183
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
178

Hermann Julius Hermann.

di ben governare« des Dominicaners Thomas de Ferraria, »sacrae theologiae professoris«, (geschrieben
von »Jacobus Antonius Siverinus, notarius«) in der Biblioteca Trivulziana zu Mailand (Cod. Nr. 86)
nahe. Durch besondere Feinheit ragt auf dem Titelblatt, dessen Randleiste mit dem Wappen, dem Para-
duro und trefflichen Thierstücken geziert ist, die Miniatur in der Initiale C hervor, welche den Autor
darstellt, der dem Herzog, der an den Waden den Paraduro trägt, das Buch dedicirt; etwas zurück steht
die Justizia mit der Wage, eine dem Stile Turas nahestehende Gestalt; links zwei Rechtsgelehrte in
Disputation. Individualisirung der Figuren, das treffliche Portrait Borsos sowie die peinlichste Sorgfalt
der Ausführung zeichnen das Bildchen aus. Da Borso bereits in vorgeschrittenem Alter dargestellt
ist, dürfte die Handschrift gegen 1470 anzusetzen sein (vgl. Fig. 42). Weit hervorragender sind die drei
Miniaturen eines Borso gewidmeten Codex des »Candido de'Bontempi dePerusia: libro del sal-
vatore« 1 in der Biblioteca Estense zu Modena (Cod. ital. CCCLIII), die zu den feinsten Miniaturen
Giraldis gehören. Schon das Dedicationsbild (f. 3), in welchem der Verfasser dem Herzog Borso

das Werk überreicht, ragt durch unvergleichliche, minutiö-
seste Durchbildung hervor (vgl. Fig. 9). Der blaue Hinter-
grund ist mit zarten goldenen Spiralranken geziert; links
sitzt auf einem blauen Lehnstuhle Borso; er trägt ein rothes
Brocatgewand, darüber ein grünes, golddurchwirktes Ueber-
gewand; als Abschluss der Hermelinstiefel trägt er den Pa-
raduro, auf dem Kopfe eine Mütze, in der Rechten den
Herzogsstab. Rechts kniet Candido de' Bontempi, ein Edel-
mann aus Perugia, in golddurchwirktem hellgrauen Pracht-
gewand; in seiner Linken hält er sein Wappen, mit der
Rechten überreicht er das in weissen Brocat gebundene Werk.
Sichtlich portraittreu aufgefasst, sind die beiden Gestalten
Fig. 42. Guglielmo Giraldi, Der Dominicaner durch peinlichste Sorgfalt der Ausführung, treffliche Model-
Thomas de Ferrara überreicht Borso sein Werk. lirung bewundernswerth. Ein Vergleich mit dem Psalterium
(Mailand, Biblioteca Trivulziana, Cod. Nr. 86, f. 1). derselben Bibliothek (Cod. DCCCCXC) zeigt dieselbe Tech-
nik, das röthliche Incarnat und dasselbe Colorit, so dass mir
Venturis Zuweisung an Giraldi berechtigt scheint. Auch die Titelblätter zu den beiden Theilen des
Tractates verdienen Beachtung. Auf f. 7 sind in die aus Blümchen auf goldenem Spitzengrund be-
stehende Randleiste die herzoglichen Embleme des »liocorno, paraduro, chiodara und chiavadura to-
desca« sowie das herzogliche Wappen eingefügt. Die beiden reizenden kleinen Bildchen der Verkündi-
gung und Geburt Christi (Fig. 43) stehen an Sorgfalt der Ausführung und Reichthum der Farben dem
Dedicationsbild nicht nach; dasselbe gilt von den beiden Miniaturen der Darstellung im Tempel und
der Taufe Christi (f. 216'), die durch die Leuchtkraft der Farben hervorragen; wie auf f. 3 finden sich
herzogliche Embleme (batesmo, siepe, abbeveraduro da columbi und el fogo) und das Wappen von
Rovigo in der zarten Randleiste.

Auf einige der Stilrichtung Giraldis schulverwandte Corali des Museo Civico in Bologna und der
Biblioteca Estense zu Modena (aus S. Michele in Bosco bei Bologna) hat Venturi2 aufmerksam gemacht.
Bedeutsamer ist die Zutheilung der Miniaturen zum Inferno in dem berühmten Dante-Codex der
Vaticana (Cod. Urb. 365) an Giraldi, die Venturi in einer brieflichen Mittheilung an Giovanni Fran-
ciosi3 vermuthungsweise aufgestellt hat, während Ludwig Volkmann 4 nur an einen der Schule des Cossa

1 Im fünfzehnten Capitel des II. Buches findet sich ein Lobgedicht des Autors auf die Este.

2 A. Venturi, La miniatura ferrarese del secolo XV e il Decretum Gratiani, a. a. 0., p. 196.

J Giov. Franciosi, II Dante vaticano e 1'Urbmate, p. 123, in Collezione di opuscoli Danteschi inediti e rari diretta da
G. L. Passerini, vol. XXXIII und XXXIV, Citta di Castello (1896).

4 Ludwig Volkmann, Bildliche Darstellungen zu Dantes divina comedia bis zum Ausgang der Renaissance (1892); und
Iconografia Dantesca, die bildlichen Darstellungen zur göttlichen Komödie (1897), mit einer Farbendrucktafel aus dem Codex
Urb. p. 365, Miniatur zum XII. Gesänge.
 
Annotationen