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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0188
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Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.

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dena (Cod. DCCCCXC) ausdrücklich als Schreiber bezeichnet und, worauf Cittadella mit Recht
hingewiesen hat, damals bereits ein alter Mann von mehr als siebzig Jahren war. Auch Guglielmo
Capello, der nach einer Tradition als Miniator galt, kommt ausser Betracht, da auch er — bereits
1426 ein geschätzter Miniator — entschieden viel zu alt gewesen wäre, um ein so umfangreiches Werk
von solcher Pracht und Vollendung herzustellen. Stilistische Gründe sowie die Thatsache, dass Gu-
glielmo Giraldi in dem Psalterium vom Jahre 1475 in Modena mit Matthäus de Alexandria zu-
sammen arbeitete, berechtigen zu der Annahme, dass Giraldi der Hauptantheil an den Miniaturen ge-
bührt. Er war ja einer der gefeiertesten Meister in Ferrara, den selbst der bekannte modenesische
Dichter Tribrarch in einem Gedichte »in Guilielmum macrum pictorem optimum« besang. Wir müssen
freilich auch eine Betheiligung anderer Miniatoren annehmen; zu umfangreich wäre die Arbeit für

einen Meister. Auch stilistisch stimmen ja nicht alle Miniaturen über-
ein; aber die Namen der Maler sind uns unbekannt und dürften nur
durch einen urkundlichen Fund sichergestellt werden können. Ver-
muthungsweise möchte ich eine Mitwirkung des Alessandro Leoni,
Giraldis Neffen, der auch an dem Psalterium Cod. DCCCCXC in Mo-
dena betheiligt war, annehmen. Dem Guglielmo Giraldi scheint der
Hauptantheil zu gebühren und stilistische Differenzen mögen da auch
zum Theil der langen Dauer der Arbeit — sie mag ein Decennium ge-
währt haben — zuzuschreiben sein; wie ja auch die urkundlich beglau-
bigten Miniaturen des Martino da Modena in den Corali von S. Petronio
in Bologna manche Verschiedenheiten untereinander aufweisen.

Eine ausführliche Erörterung des Einzelnen würde den Rahmen
dieser Untersuchung überschreiten; ich beschränke mich auf einen
Hinweis auf das Wesentlichste. Aus der grossen Reihe der Folianten
schliessen sich einige Bände zu zusammenhängenden Gruppen zu-
sammen, und zwar: 1. die vier Bände der Bibel der Certosa; 2. die
Corali der Certosa: a) acht Antiphonarien für das Jahr; b) vier
Graduale für das Jahr; c) fünf Bände mit den Propria sanctorum,
Commune sanctorum u. A. m.
Die Bibel der Certosa von Ferrara, gegenwärtig das kostbarste Denkmal ferra-
resischer Miniaturmalerei in Italien, besteht aus vier Bänden. Auffallenderweise fehlen
die Psalmen und die Evangelien. Der greise Matthäus de Alexandria hat mit dem vierten
Bande die Arbeit geschlossen; drei Jahre nach der Vollendung des vierten Bandes war
er gestorben.1 Enthielt schon der vierte Band der Bibel nur Initialen ohne Innen-
bilder, so mag nach dem Tode Borsos dem Unternehmen überhaupt weniger Fürsorge entgegengebracht
worden sein. Giraldi wird wohl — angenommen, dass der Dantecodex der Vaticana (Cod. Urb. 365)
wirklich von ihm herrührt, — Ferrara verlassen und sich an den Hof von Urbino begeben haben.

Zweifellos ist auch der erste Band der Bibel von Matthäus de Alexandria geschrieben; doch fin-
den sich blos am Schlüsse der drei anderen Bände die Eintragungen des Schreibers, wie folgt:

Im II. Band: »Explicit volumen secundum. Et hic est finis dicti voluminis completum per domnum Mattheum
deAlexandria, professum domus Ferrariae ordinis Cartusiensium prope Ferrariam.«

Im III. Band: »Et hic est finis tertii voluminis huius operis, quod completum fuit per domnum Mattheum de
Alexandria, professum ultimum domus sancti Christofori ordinis Cartusiensium prope Ferra-
riam, tempore illustrissimi domini Borsii ac prefatae domus fundatoris 146g die 14. decembris.«

Im IV. Band »Bibliae explicit quartum volumen expletum sive scriptum per me domnum Mattheum de Alexan-
dria professumque domus sancti Christophori ordinis Cartusiensis prope Ferrariam anno domini
MCCCCLXXVI die secunda Januarii, aetatis vero meae LXXV., quod est finis totius Bibliae
secundum usum et consuetudinem ordinis Cartusiensis, quae distincta est in quatuor volumini-

Fig- 47-
Der Evangelist
Lucas, Miniatur
des Guglielmo
Giraldi zur Apos-
telgeschichte
der Bibel der
Certosa, Band
III, f.

(Ferrara, Museo
Civico di Schifa-
noja).

1 In einem Necrologium Cartusiae Ferrariensis findet sich nämlich zum 29. Jänner die Bemerkung: »D. Mattheus de
Alexandria, primus monachus et professus istius domus, 1479«; vgl. Caravita, a. a. O., p. 480.

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