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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0189
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Hermann Julius Hermann.

bus; quae quidem scripta expletaque sunt per me suprascriptum scriptorem non ut debui,
sed ut potui. Opus certe fuit multarum vigiliarum atque laborum, quod libenti animo subire volui,
ad hoc mc hortante et rogante priore: ad honorem dei atque beati Christophori martyris nec non
ob pracsentium ac futurorum omnium consolationem, qui in istis voluminibus lecturi sunt,
postremo vero in meorum peccatorum remissionem. Obsecro igitur vos omnes patres et fratres,
qui lecturi estis in dictis voluminibus, quatenus aliquando memineritis laborum ac vigiliarum, qui-
bus hoc in opere desudavi, pro me ad dominum preces fundere atque ipsum deum et dominum
nostrum Jesum Christum pro ipsius scriptoris anima peccatrice orare. Quod opus, si minus cor-
reptum sive scriptum reperitur tarn orthographia quam in accentibus, non vitio sed potus scrip-
toris ignorantiae imputare vclitis.« 1

Geht aus diesen Eintragungen hervor, dass Matthäus de Alexandria 1469 den dritten, 1476 den
vierten Band der Certosabibel beendet hat, so lässt uns die in einer Initiale I des Graduales O, f. 171,

eingetragene Jahreszahl MGCCCLXVIII vermuthen,
dass das Graduale N und O 1468 beendet wurde.
Diesen vier Bänden gegenüber zeigen die acht Anti-
phonarien nur wenige Initialbilder und nur das Pro-
prium Sanctorum P ragt durch die Zahl der Miniaturen hervor.
Eine Zuweisung des Einzelnen an die Miniatoren kann nur
vermuthungsweise geschehen, da uns die urkundliche Ueber-
lieferung im Stiche lässt. Wir erfahren nur aus dem oft erwähn-
ten Psalterium in Modena (Cod. DCCCCXC), dass Giraldi und
dessen Neffe Alessandro Leoni mit Matthäus de Alexandria für
die Certosa gearbeitet haben. Den künstlerischen Glanzpunkt
bildet die Certosabibel, auf deren hervorragendste Miniaturen
ich in möglichster Kürze hinweise:

t

Fig. 48. Dem Propheten Isaias er-
scheint das Christuskind, Miniatur des Ales-
sandro Leoni im Anliphonarium A (f. 1)
aus der Certosa von Ferrara.

(Ferrara, Museo Civico di Schifanoja).

Band I (49 cm breit, 67*5 cm hoch, 178f.).

Die Miniaturen des ersten Bandes stehen unter dem Einfluss
des Piero della Francesca und erinnern an Francesco Cossa.
Bedenken wir, dass Piero della Francesca2 kurz vorher im
Palazzo Schifanoja gemalt hat, dass gleichzeitig mit der Ent-
stehung der Bibel Francesco Cossa an den noch erhaltenen Fres-
ken desselben Palastes arbeitete, so ist ein Anschluss an so be-
deutende Kunstwerke, wie sie in solchem Umfange vorher im
Quattrocento in Ferrara nicht entstanden waren, ganz erklär-
lich. Es ist anzunehmen, dass der erste Band der Bibel beträcht-
lich früher als die anderen Bände ausgeführt wurde, wie ja auch zwischen dem dritten und vierten
Bande sieben Jahre liegen. Ich vermuthe, dass die Certosabibel bald nach der Beendigung der Borso-
bibel in Angriff genommen wurde; bald, nachdem die Mönche die Certosa bezogen hatten (1461), mag
der Plan zur Herstellung der Corali gefasst worden sein. Dafür spricht auch ein stilistischer Grund.
Zweifellos war dem Miniator die Bibel des Herzogs Borso bekannt gewesen, wie die ausserordentlich
grosse Verwandtschaft der beiden Titelblätter beweist. Der enge Anschluss an das Titelblatt der Borso-
bibel lässt vermuthen, dass die Borsobibel dem Guglielmo Giraldi, dessen Stil ja mit dem des Piero
della Francesca grosse Verwandtschaft hat, als Muster vorgelegt wurde, woraus sich nicht nur die
Aehnlichkeit einzelner Compositionen sondern auch stilistische Anklänge erklären Hessen.

In seiner Anlage schliesst sich das herrliche Titelblatt der Certosabibel (f. 7') eng an sein unver-
gleichlich e s Vorbild, das Titelblatt der Borsobibel, an (vgl. Tafel XI), unterscheidet sich jedoch da-

1 Ich gebe diese Abschrift nach Caravita, a. a. O., p. 476 f.; vgl. die ähnliche Schlussnotiz in dem Psalterium der Bi-
blioteca Estensc, p. 175.

2 Vgl. Crowe und Cavalcaselle, Geschichte der italienischen Malerei, deutsche Ausgabe III, 317—3l8; Vasari (Ausgabe
Milanesi) IV, 16—17. — Pieros Fresken giengen gelegentlich der Erweiterung des Palastes unter Ercole I. zu Grunde.
 
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