Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.
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durch, dass hier die Schopfungsgeschichte auf einer Seite vereinigt ist. Auch hier ragt schon der Rahmen, in
den die Miniaturen eingefügt sind, durch Erfindung hervor (Tafel XX). Links unten ein cylindrisches Posta-
ment, um welches sich reizende Putten herumtummeln; auf diesem Postament steht ein mandolinspielender Putto
(völlig im Geiste Gossas) und zwei Engelchen mit Fruchthörnern, denen bunte Ranken auf Goldgrund entspriessen,
welche die ovalen Bilder umschliessen und sich an der oberen Randleiste fortsetzen. Den Rahmen zu den Bildern
der unteren Randleiste bildet ähnlich wie in der Borsobibel (Band I, f. 5'u. f. 6) eine Architektur aus vier
Pfeilern, die einen Architrav tragen; rechts sind bunte Ranken und Blümchen auf Spitzengrund gemalt. Wie
die Gesammtanlage, so zeigen auch einzelne Scenen trotz der mit Piero della Francesca verwandten Formen-
gebung deutlich eine Abhängigkeit von der Borsobibel. Die einzelnen Miniaturen vertheilen sich wie folgt:
Links: vier ovale reizende Miniaturen
(von oben nach unten):
a) Gott Vater (mit dreiecki-
gem Nimbus wie in der
Borsobibel) steht seg-
nend auf der vom Chaos
der Elemente umwog-
ten Erde (vgl. die le-
bensvollere Miniatur
der Borsobibel I, f. 5',
links oben).
b) Gott Vater, auf denZehen
stehend, setzt Sonne,
Mond und Sterne an
das Firmament; im Hin-
tergrunde das Meer
(vgl. Borsobibel I, f. 5',
unten links).
c) Gott segnet die Thiere
(vgl. Borsobibel I, f. 6,
oben).
d) Gott segnet den steif auf
dem Boden liegenden
Adam (in starker Ver-
kürzung; vgl. Borso-
bibel I, f. 6, oben, sowie
die kleine Miniatur des
David und Goliath auf
dem Titelblatte des
Psalteriums in Modena
[Tafel XIX]).
Unten, links: Gott erschafft Eva aus
einer Rippe Adams;
die Gestalt des Adam
eine treffliche Aktfigur
in der Auffassung Cos-
sas (vgl. Borsobibel I,
f. 6, unten links);
rechts: der Sündenfall;
Adam und Eva (ganz
im Stile Cossas) zu bei-
den Seiten des Baumes
der Erkenntnis, an dem sich die Schlange (mit reizendem weiblichen Kopf) emporwindet; links
etwas weiter im Hintergrunde Jehova;
in der Mitte: das Wappen Borsos mit weissrother Helmdecke und dem Einhorn als Zimier (wie auf f. 1*
u. f. 2 der Borsobibel), gehalten von zwei Putten, deren Mohrentypus an Francesco Cossa erinnert.
In die Spiralranken der oberen Randleiste sind reizende musicirende Putten, die Embleme des
»batesmo«, des Einhorns und des Paraduro sowie das Monogramm der Certosa eingefügt; in der Mitte ist
der Klosterpatron St. Christoph, rechts davon ein Karthäuser mit dem Buch dargestellt. Von besonderer Schön-
heit ist die Initiale I, die, architektonisch aufgebaut, von reizenden musicirenden Putten (mit auffallendem Neger-
typus) belebt und oben von einer Sirene bekrönt wird. Der originellen Erfindung steht die zarteste Ausführung zur
Seite; treffliche Modcllirung, rosiges Incarnat (ähnlich wie in der Borsobibel II, f. 3') sowie sichere Zeichnung
sind hervorzuheben; nur die Landschaft entbehrt grösserer Abwechslung. Auch auf die in einzelnen Locken
Fig. 49. Himmelfahrt Christi, Miniatur des Guglielmo Giraldi im Antiphonar G
(f. 8') aus der Certosa von Ferrara.
(Ferrara, Museo Civico di Schifanoja).
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durch, dass hier die Schopfungsgeschichte auf einer Seite vereinigt ist. Auch hier ragt schon der Rahmen, in
den die Miniaturen eingefügt sind, durch Erfindung hervor (Tafel XX). Links unten ein cylindrisches Posta-
ment, um welches sich reizende Putten herumtummeln; auf diesem Postament steht ein mandolinspielender Putto
(völlig im Geiste Gossas) und zwei Engelchen mit Fruchthörnern, denen bunte Ranken auf Goldgrund entspriessen,
welche die ovalen Bilder umschliessen und sich an der oberen Randleiste fortsetzen. Den Rahmen zu den Bildern
der unteren Randleiste bildet ähnlich wie in der Borsobibel (Band I, f. 5'u. f. 6) eine Architektur aus vier
Pfeilern, die einen Architrav tragen; rechts sind bunte Ranken und Blümchen auf Spitzengrund gemalt. Wie
die Gesammtanlage, so zeigen auch einzelne Scenen trotz der mit Piero della Francesca verwandten Formen-
gebung deutlich eine Abhängigkeit von der Borsobibel. Die einzelnen Miniaturen vertheilen sich wie folgt:
Links: vier ovale reizende Miniaturen
(von oben nach unten):
a) Gott Vater (mit dreiecki-
gem Nimbus wie in der
Borsobibel) steht seg-
nend auf der vom Chaos
der Elemente umwog-
ten Erde (vgl. die le-
bensvollere Miniatur
der Borsobibel I, f. 5',
links oben).
b) Gott Vater, auf denZehen
stehend, setzt Sonne,
Mond und Sterne an
das Firmament; im Hin-
tergrunde das Meer
(vgl. Borsobibel I, f. 5',
unten links).
c) Gott segnet die Thiere
(vgl. Borsobibel I, f. 6,
oben).
d) Gott segnet den steif auf
dem Boden liegenden
Adam (in starker Ver-
kürzung; vgl. Borso-
bibel I, f. 6, oben, sowie
die kleine Miniatur des
David und Goliath auf
dem Titelblatte des
Psalteriums in Modena
[Tafel XIX]).
Unten, links: Gott erschafft Eva aus
einer Rippe Adams;
die Gestalt des Adam
eine treffliche Aktfigur
in der Auffassung Cos-
sas (vgl. Borsobibel I,
f. 6, unten links);
rechts: der Sündenfall;
Adam und Eva (ganz
im Stile Cossas) zu bei-
den Seiten des Baumes
der Erkenntnis, an dem sich die Schlange (mit reizendem weiblichen Kopf) emporwindet; links
etwas weiter im Hintergrunde Jehova;
in der Mitte: das Wappen Borsos mit weissrother Helmdecke und dem Einhorn als Zimier (wie auf f. 1*
u. f. 2 der Borsobibel), gehalten von zwei Putten, deren Mohrentypus an Francesco Cossa erinnert.
In die Spiralranken der oberen Randleiste sind reizende musicirende Putten, die Embleme des
»batesmo«, des Einhorns und des Paraduro sowie das Monogramm der Certosa eingefügt; in der Mitte ist
der Klosterpatron St. Christoph, rechts davon ein Karthäuser mit dem Buch dargestellt. Von besonderer Schön-
heit ist die Initiale I, die, architektonisch aufgebaut, von reizenden musicirenden Putten (mit auffallendem Neger-
typus) belebt und oben von einer Sirene bekrönt wird. Der originellen Erfindung steht die zarteste Ausführung zur
Seite; treffliche Modcllirung, rosiges Incarnat (ähnlich wie in der Borsobibel II, f. 3') sowie sichere Zeichnung
sind hervorzuheben; nur die Landschaft entbehrt grösserer Abwechslung. Auch auf die in einzelnen Locken
Fig. 49. Himmelfahrt Christi, Miniatur des Guglielmo Giraldi im Antiphonar G
(f. 8') aus der Certosa von Ferrara.
(Ferrara, Museo Civico di Schifanoja).