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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0192
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Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.

I87

Antiphonar G, f. 8'

Antiphonar D, f. 2: In der Initiale E: St. Paulus segnet Karthäusermönche; die Mönche von portraitartiger
Auffassung (wohl von Giraldi).
In der riesigen Initiale P eine der grössten und trefflichsten Miniaturen (circa 3o cm breit,
3a cm hoch), offenbar von Giraldi: die Himmelfahrt Christi (Fig. 4g), ausgezeichnet
durch Plastik der Faltenbehandlung, höchste Leuchtkraft des Colorits und Sorgfalt
der Modellirung; auch auf die Behandlung der mantegnesken Landschaft sei hingewiesen
(man vergleiche die ähnliche Composition der Himmelfahrt im V. Graduale von S. Pe-
tronio in Bologna, von der Hand Martinos da Modena, die trotz individueller Ver-
schiedenheiten denselben Schulcharakter aufweist (Fig. 59).
f. 73': In der Initiale I: Priester, die Messe lesend; links vier portraitartig aufgefasste Karthäuser-
mönche (von Giraldi).

An diese acht Antiphonarien reiht sich

_ wenn wir uns Federicis Reihenfolge an-

schliessen — ein Mandatum I, das offenbar
mit dem von Cavalieri (a. a. O., p. 80) er-
wähnten Mandatum in Coena Domini iden-
tisch ist. Nach Cavalieri, der eine Miniatur
der Fusswaschung erwähnt, befand sich der
Codex 1818 in der Biblioteca comunale. Lei-
der konnte der Band weder in der Bibliothek
noch im Palazzo Schifanoja gefunden werden.
Ein von Federici erwähntes Graduale par-
vum K scheint nicht mehr erhalten zu sein.
Von hoher Bedeutung sind die vier Gra-
dualebände für das ganze Jahr (L, M, N
und O), welche sich durch besonders zahl-
reiche Miniaturen auszeichnen.1 Ich verweise
auf einige der vorzüglichsten:

Graduale L, f. 1: Ein treffliches Beispiel
für die Pracht der Ausstattung.
Die Anfangsworte des Psal-
mes: »Ad te levavi animam«,
welche die ganze Seite füllen,
sind nämlich in grosser gothi-
scher Majuskel geschrieben
und mit bewunderungswürdig
feinen Filigranen geschmückt.
In der Randleiste rechts ist
dreimal übereinander der Dia-
mantring, der von den Blät-
tern einer eingesetzten Nelke
umschlungen ist, in äusserst
geschmackvoller Weise in den
Spitzengrund eingefügt. Die-
ses Emblem Ercoles I. sowie
das unten zwischen die Em-
bleme der Hydra und des
Feuerbeckens gesetzte Wap-
pen deuten darauf hin, dass dieser Band bereits unter Ercole I. gemalt wurde. In der Initiale A
(Fig. 50), in welcher der betende David dargestellt ist, ist die Behandlung des rechten Schaftes
als eines auf vier Krystallsäulen ruhenden Thurmes ein echt ferraresisches Motiv (vermuthlich
von Guglielmo Giraldi). Unter den folgenden Initialbildern möchte ich die Initiale I mit dem
Evangelisten Johannes (f. 51) hervorheben.

Graduale M: enthält nur eine riesige, künstlerisch sehr bemerkenswerthe Miniatur in der Initiale R (f. 1), welche
die Transfiguration darstellt, gleich ausgezeichnet durch die Composition, die Modellirung wie
durch den coloristischen Effect, der durch das blendend weisse Gewand des Heilands hervor-
gebracht wird, das zu der farbigen Umgebung in einem prachtvollen Gegensatz steht (Fig. 51). Die
Technik der Ausführung sowie die Behandlung der Landschaft lassen diese herrliche Miniatur
als ein Werk Giraldis erscheinen. Wie das Titelblatt des Graduales L ist auch jenes des

Fig. 51. Die Transfiguration, Miniatur des Guglielmo Giraldi
im Graduale M aus der Certosa von Ferrara, f. I.

(Ferrara, Museo Civico di Schifanoja).

1 Auch bei diesen circa 56 cm breiten und 77 cm hohen Bänden zeigen die Einbände metallene Beschläge mit dem
Wappen Borsos und dem Monogramm yhs der Certosa.
 
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