Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.
süchtig, aber muthig und kühn, so dass er am Hofe Alfonsos I. der cavaliere senza paura genannt
wurde. Der Luxus der Hoffeste und die Theateraufführungen, die langwierigen Kriege und die Kata-
strophe einer Poüberschwemmung hatten eine Geldnoth in Ferrara zur Folge, von der sich die Stadt erst
allmälig erholte. Auch die herzogliche Casse war stark erschöpft, so dass der Hof gezwungen war,
durch Verkauf von Juwelen und Kostbarkeiten sich Mittel zu verschaffen. So betrübend die politischen
Verhältnisse in Ferrara gewesen sind, so hatten doch wenigstens die Künstler durch den Luxus des
Hofes reiche Beschäftigung gefunden.1 Die eigentliche Seele der künstlerischen Interessen war die
feinsinnige Gemahlin Ercoles, Eleonore von
Aragon ien, die im Jahre 1473 ihren prunkvollen
Einzug in Ferrara hielt.2 Die hohe Bildung ihres
Geistes spiegelt sich in der Erziehung ihrer Kin-
der, Alfonso L, Beatrice d'Este und Isabella
d'Este, wieder, die durch ihre Kunstliebe und
ihre schöngeistige Veranlagung eine so hohe
Stellung in der culturellen Entwicklung Ober-
italiens eingenommen haben. Ein reges litera-
risches und künstlerisches Leben entfaltete sich
in Ferrara, dessen Hof einer der prachtliebend-
sten Italiens war. Ein auserlesener Kreis hoch-
gebildeter Literaten und Poeten lebte am Hofe;
unter Anderen Matteo Bojardo, der Sänger des
Orlando inamorato, Tito Strozzi, Tribrarch und
Lodovico Carbone, der die Hochzeit Ercoles mit
Eleonore in einem »Epithalamium Neapoli actum
in divam Lianoram Aragonensem et divum Her-
culem Estensem« besang, von dem eine Hand-
schrift mit Randleisten aus weissen Astverschlin-
gungen, den Wappen Ercoles, Eleonoras und
Carbones und dem rohen Brustbild des Autors
das Britische Museum in London (Add. MS.
20794) besitzt. Mit diesem geistigen Leben ging
eine Blüthe der Universität Hand in Hand, an
der fünfzig Professoren wirkten. Ueberhaupt nahm die Stadt einen grossen Aufschwung; Ercole legte
neue Quartiere an und erweiterte die Stadt bedeutend, so dass er als Erneuerer der Stadt bezeichnet
werden kann. In den neuen Stadtvierteln entstanden zahlreiche Paläste, wie z. B. der Palazzo Dia-
mante und Palazzo Roverella, die noch heute der Stadt zur Zierde gereichen. Ja, anfangs des XVI. Jahr-
hunderts war Ferrara eine Stadt von mehr als 100.000 Einwohnern.
Reges Leben entfaltete sich in den Künstlerkreisen. Von den Hauptmeistern der älteren Schule
von Ferrara war allerdings nur Cosimo Tura in Ferrara geblieben, während Cossa nach Bologna über-
siedelte. Tura blieb der bevorzugte Maler des Hofes, für den er mehrfach Portraits ausführte. Daneben
wurde Ercole Roberti nicht nur ein geschätzter Meister sondern auch einer der individuellsten und
einflussreichsten Maler der Schule von Ferrara. Auch Ercole Grandis und Lorenzo Costas Ent-
wicklung fällt in die Zeit Ercoles I., während andere junge Talente wie Domenico Panetti und
Fig. 57. David, Miniatur des Martino da Modena im Gra-
duale I (f. 1) von S. Pctronio in Bologna.
1 Vgl. Gius. Campori, I pittori degli Estensi nel secolo XV, in den Atti e memorie delle RR. deputazioni di storia
patria per le provincie modenesi e parmensi, serie III, tomo III (1885); Ad. Venturi, L'arte ferrarese nel periodo d'Ercole
d'Este, in den Atti e memorie della R. deputazione di storia patria per la provincia di Romagna, serie III, vol. VI e VII
(1888 und 1889); mit einem Abdruck des Bihliotheksinventars Ercoles I.
2 Luigi Olivi, Delle nozze di Ercole I. d'Este con Eleonora d'Aragona (1887); besprochen von Emilio Nunziante im
Archivio storico napolitano, tomo XII, p. 473.
süchtig, aber muthig und kühn, so dass er am Hofe Alfonsos I. der cavaliere senza paura genannt
wurde. Der Luxus der Hoffeste und die Theateraufführungen, die langwierigen Kriege und die Kata-
strophe einer Poüberschwemmung hatten eine Geldnoth in Ferrara zur Folge, von der sich die Stadt erst
allmälig erholte. Auch die herzogliche Casse war stark erschöpft, so dass der Hof gezwungen war,
durch Verkauf von Juwelen und Kostbarkeiten sich Mittel zu verschaffen. So betrübend die politischen
Verhältnisse in Ferrara gewesen sind, so hatten doch wenigstens die Künstler durch den Luxus des
Hofes reiche Beschäftigung gefunden.1 Die eigentliche Seele der künstlerischen Interessen war die
feinsinnige Gemahlin Ercoles, Eleonore von
Aragon ien, die im Jahre 1473 ihren prunkvollen
Einzug in Ferrara hielt.2 Die hohe Bildung ihres
Geistes spiegelt sich in der Erziehung ihrer Kin-
der, Alfonso L, Beatrice d'Este und Isabella
d'Este, wieder, die durch ihre Kunstliebe und
ihre schöngeistige Veranlagung eine so hohe
Stellung in der culturellen Entwicklung Ober-
italiens eingenommen haben. Ein reges litera-
risches und künstlerisches Leben entfaltete sich
in Ferrara, dessen Hof einer der prachtliebend-
sten Italiens war. Ein auserlesener Kreis hoch-
gebildeter Literaten und Poeten lebte am Hofe;
unter Anderen Matteo Bojardo, der Sänger des
Orlando inamorato, Tito Strozzi, Tribrarch und
Lodovico Carbone, der die Hochzeit Ercoles mit
Eleonore in einem »Epithalamium Neapoli actum
in divam Lianoram Aragonensem et divum Her-
culem Estensem« besang, von dem eine Hand-
schrift mit Randleisten aus weissen Astverschlin-
gungen, den Wappen Ercoles, Eleonoras und
Carbones und dem rohen Brustbild des Autors
das Britische Museum in London (Add. MS.
20794) besitzt. Mit diesem geistigen Leben ging
eine Blüthe der Universität Hand in Hand, an
der fünfzig Professoren wirkten. Ueberhaupt nahm die Stadt einen grossen Aufschwung; Ercole legte
neue Quartiere an und erweiterte die Stadt bedeutend, so dass er als Erneuerer der Stadt bezeichnet
werden kann. In den neuen Stadtvierteln entstanden zahlreiche Paläste, wie z. B. der Palazzo Dia-
mante und Palazzo Roverella, die noch heute der Stadt zur Zierde gereichen. Ja, anfangs des XVI. Jahr-
hunderts war Ferrara eine Stadt von mehr als 100.000 Einwohnern.
Reges Leben entfaltete sich in den Künstlerkreisen. Von den Hauptmeistern der älteren Schule
von Ferrara war allerdings nur Cosimo Tura in Ferrara geblieben, während Cossa nach Bologna über-
siedelte. Tura blieb der bevorzugte Maler des Hofes, für den er mehrfach Portraits ausführte. Daneben
wurde Ercole Roberti nicht nur ein geschätzter Meister sondern auch einer der individuellsten und
einflussreichsten Maler der Schule von Ferrara. Auch Ercole Grandis und Lorenzo Costas Ent-
wicklung fällt in die Zeit Ercoles I., während andere junge Talente wie Domenico Panetti und
Fig. 57. David, Miniatur des Martino da Modena im Gra-
duale I (f. 1) von S. Pctronio in Bologna.
1 Vgl. Gius. Campori, I pittori degli Estensi nel secolo XV, in den Atti e memorie delle RR. deputazioni di storia
patria per le provincie modenesi e parmensi, serie III, tomo III (1885); Ad. Venturi, L'arte ferrarese nel periodo d'Ercole
d'Este, in den Atti e memorie della R. deputazione di storia patria per la provincia di Romagna, serie III, vol. VI e VII
(1888 und 1889); mit einem Abdruck des Bihliotheksinventars Ercoles I.
2 Luigi Olivi, Delle nozze di Ercole I. d'Este con Eleonora d'Aragona (1887); besprochen von Emilio Nunziante im
Archivio storico napolitano, tomo XII, p. 473.