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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0200
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Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.

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drucksvollen Augen, der derbe Mund sowie die ausserordentlich plastische Wirkung seiner Falten.
Seinen Landschaften sind zerklüftete Felsen, Bäumchen, deren Kronen auf hohen Stämmen aufsitzen,
oder kahle Bäume eigenthümlich, die sich von dem im hellsten Blau gemalten Himmel scharf abheben;
auch die Wolken, weissen Baumwollflöckchen gleich, bildet Martino stets in derselben Weise. Neben
seinen Vorzügen in der Composition, Zeichnung und Modellirung zeichnet sich Martino vor Allem
durch die Schönheit seiner Farben aus; mit Vorliebe verwendet er ein helles Ultramarin, Carminroth,

gelbliches Grün, Ockergelb und Weiss.

Leider sind wir über seinen Bildungsgang nicht
unterrichtet; doch liegt die Vermuthung nahe, dass
ihn sein Vater, Giorgio d'Allemagna, in die Technik
seiner Kunst eingeführt habe. Zur Zeit, als Giorgio
mit der Ausführung des Breviarums des Leonello be-
schäftigt war, war Martino wohl noch ein Kind oder
vielleicht erst geboren. Dann mag er mit seinem
Vater nach Ferrara gezogen und mit ihm auch wieder
nach seiner Vaterstadt Modena übersiedelt sein. Es
darf vermuthet werden, dass er in den letzten Regie-
rungsjahren Borsos schon thätig war; bald scheint er
zu hohem Ruf gelangt zu sein. Darauf deutet wenig-
stens der Umstand, dass ihm 1477 die Ausführung
der Miniaturen der Corali von S. Petronio in Bo- Die Coraii von
logna übertragen wurde (vgl. Anhang, Nr. 203— t. etromo.
241), als Taddeo Crivelli seine Verpflichtungen nicht
erfüllte.

Martino da Modena begann die Arbeit mit dem
Graduale V (Nr. 114), in welchem er die Himmelfahrt
Christi (Fig. 5g) als Probestück malte; am 24. Novem-
ber 1477 werden ihm für diese Miniatur 8 Lire
15 Soldi 6 Denare ausbezahlt (vgl. Anhang, Nr. 2o3).
In dem Vertrage, der mit Martino da Modena ge-
schlossen wurde, wurden die Vereinbarungen, die 1476 mit Crivelli getroffen worden waren, zur Grund-
lage genommen, die festgesetzten Preise jedoch erhöht.1 Am 10. Februar 1478 wurde der Vertrag ge-
schlossen (vgl. Anhang, Nr. 122, Postscriptum) und ihm 12 Lire als Angabe ausbezahlt (vgl. Anhang,
Nr 204); bis zum 1. December 1480 finden sich für die Corali Zahlungen an Martino verzeichnet;
in elf Gradualen führte er Miniaturen aus, für die er im Ganzen 362 Lire 7 Soldi 6 Denare erhielt.
Von Bologna begab sich Martino nach Modena, wo er 1483 an den Chorbüchern des Domes2 thätig er-
scheint (vgl. Anhang, Nr. 242—246); 1485 übersiedelte er nach Ferrara und malte an den Miniaturen
der Corali des Domes. An den Corali von S. Petronio, die heute in dem Museum der Fabbriceria auf-
bewahrt werden, waren neben Martino da Modena auch Gabriele di Cipelli, Bartolomeo del Tintore,
Domenico Pagliarolo, Tommaso di Cesare Basso da Modena u. A. m. thätig, über die Frati (a. a. O.)
documentarische Eintragungen publicirt hat. An künstlerischer Bedeutung treten alle zurück gegen
Martino da Modena, der in den elf Gradualen eine Reihe trefflicher Miniaturen ausführte, von denen
ich im Nachfolgenden in Kürze einige der schönsten anführe:3

In dem Graduale I (Nr. 119): [»a dominica Adventus . . . usque ad dominicam octavam Epiphaniae»] f. 1: Titel-
blatt mit trefflicher Randleiste; rechts im Candelaberstil, unten zwischen breiten Akan-
thusranken auf Gold die Wappen »del popolo« und »del comune« von Bologna, in

Fig. 59. Christi Himmelfahrt, Miniatur des Martino da
Modena im Graduale V (f. 87') von S. Petronio in
Bologna.

1 Luigi Frati, I Corali della Basilica di S. Petronio in Bologna (1896).

2 V. Dondi, II duomo di Modena (1896), p. 156.

3 Eine genaue Beschreibung aller Miniaturen der Corali gibt Frati a. a. O.
 
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