Die jüngere Unterdessen entstand in Ferrara ein neues grosses Werk, das umfassendste der Regierungszeit
Mmiatoren- Ercoles I., die Corali des Doms zu Ferrara. Ihre Miniatoren, Jacopo Filippo d'Argenta und
schule von Fer- * > r r r d
rara. Die Corali Fra Evangelista da Reggio an der Spitze, unterscheiden sich von den bisher betrachteten
des Doms zu
Ferrara. Meistern, denen gegenüber ich die Miniatoren der Domcorali als die Meister der jüngeren ferra-
resischen Localschule bezeichnen möchte. Eigenthümlich ist ihnen der enge Anschluss an Co-
simo Tura, dessen Orgelflügel im Dom (1468) den Miniatoren Anregung boten. Gegenüber dem Haupt-
werk der Borsozeit, den Corali der Certosa, stehen die Chorbücher des Doms allerdings an indivi-
dueller Auffassung, an vollendeter Durchbildung und Leuchtkraft des Colorit zurück; aber gerade
durch ihren Anschluss an Cosimo Tura gewinnen sie an Interesse, da sie den ferraresischen Stil am
deutlichsten an sich tragen. Hervorragende Meister, wie Giraldi einer war, waren die Miniatoren der
Chorbücher des Domes nicht; denn sowohl in der Zeichnung als auch in der Perspective, im Colorit
und in der Landschaft macht sich oft genug eine kindliche Unbeholfenheit bemerkbar; doch finden
sich auch einige vorzügliche Miniaturen darunter.
Die Tradition schrieb die Miniaturen dem Cosimo Tura zu; doch hat schon Giuseppe Antenore
Scalabrini1 aus den Rechnungsbüchern des Doms die Namen der Miniatoren bekanntgemacht; bis in
Einzelnheiten orientiren uns aber die von Antonelli2 veröffentlichten Eintragungen der Rechnungsbücher
des Doms (vgl. Anhang, Nr. 24g—287). Mit Unrecht behauptete Guarini in seinem Compendio istorico
delle chiese di Ferrara, dass Giovanni da Lucca im Auftrage des Bischofs Bartolomeo della Rovere die
Corali geschrieben hätte. Aus Urkunden kennen wir die Schreiber der Corali und wissen, dass Gio-
vanni da Lucca 1472 ein Psalterium, Lodovico Raimondi da Parma 1473 ein Psalterium und ein
Hvmnarium geschrieben hat, deren Miniaturen Guglielmo Giraldi ausführte. Auf diese drei Codices
sowie auf sechs kleinere Corali von untergeordnetem Kunstwerth habe ich schon oben hingewiesen.
Keiner von den Genannten hat einen Antheil an den 22 riesigen Chorbüchern des Domes,3 über deren
Herstellung wir gut unterrichtet sind.
Heute sind uns 22 Folianten (56 cm breit, 78 cm cm hoch) erhalten, deren braune Lederbände
mit reichsten Metallbeschlägen in Gestalt von Löwenköpfen, Delphinen, Hähnen, Sirenen, Masquerons etc.
geschmückt sind. Von besonderem Werthe sind die in der Mitte eingelassenen Medaillen; so schmückt
das Antiphonar Nr. n eine Medaille St. Georgs als Drachentödter von dem bekannten Medailleur Gian
Francesco Enzola, der ja auch für die herzogliche Münze thätig war; sie trägt die Umschrift:
»opus Johanis Francisci Parmensis 146g.« Freiere Nachbildungen von Giuliano de Apolinis (vgl.
Anhang, Nr. 257) finden sich unter Anderem an den Antiphonarien Nr. 1 (mit der Umschrift: »opus
Pauli de Appolinis aurifex« und »opus Juliani Appolini«), Nr. 2 (»opus Juliani Appolini«) und Nr. 5
1 Gius. Ant. Scalabrini, Memorie istoriche delle chiese di Ferrara (1773).
2 Gius. Antonelli, Documenti risguardanti i libri corali del duomo di Ferrara, im VI. Bande (S. 153 ff.) von Gualandis
Memorie originali italiane risguardanti le belle arti 1845; neugedruckt zur Feier der Cardinalserhebung des Erzbischofs von
Ferrara, Pietro Card. Rcspighi, 189g.
3 Ueber einige ältere Chorbücher des Domes, die nicht mehr erhalten sind, siehe Cittadella, Notizie relative a Ferrara,
p. 69 ft.
Mmiatoren- Ercoles I., die Corali des Doms zu Ferrara. Ihre Miniatoren, Jacopo Filippo d'Argenta und
schule von Fer- * > r r r d
rara. Die Corali Fra Evangelista da Reggio an der Spitze, unterscheiden sich von den bisher betrachteten
des Doms zu
Ferrara. Meistern, denen gegenüber ich die Miniatoren der Domcorali als die Meister der jüngeren ferra-
resischen Localschule bezeichnen möchte. Eigenthümlich ist ihnen der enge Anschluss an Co-
simo Tura, dessen Orgelflügel im Dom (1468) den Miniatoren Anregung boten. Gegenüber dem Haupt-
werk der Borsozeit, den Corali der Certosa, stehen die Chorbücher des Doms allerdings an indivi-
dueller Auffassung, an vollendeter Durchbildung und Leuchtkraft des Colorit zurück; aber gerade
durch ihren Anschluss an Cosimo Tura gewinnen sie an Interesse, da sie den ferraresischen Stil am
deutlichsten an sich tragen. Hervorragende Meister, wie Giraldi einer war, waren die Miniatoren der
Chorbücher des Domes nicht; denn sowohl in der Zeichnung als auch in der Perspective, im Colorit
und in der Landschaft macht sich oft genug eine kindliche Unbeholfenheit bemerkbar; doch finden
sich auch einige vorzügliche Miniaturen darunter.
Die Tradition schrieb die Miniaturen dem Cosimo Tura zu; doch hat schon Giuseppe Antenore
Scalabrini1 aus den Rechnungsbüchern des Doms die Namen der Miniatoren bekanntgemacht; bis in
Einzelnheiten orientiren uns aber die von Antonelli2 veröffentlichten Eintragungen der Rechnungsbücher
des Doms (vgl. Anhang, Nr. 24g—287). Mit Unrecht behauptete Guarini in seinem Compendio istorico
delle chiese di Ferrara, dass Giovanni da Lucca im Auftrage des Bischofs Bartolomeo della Rovere die
Corali geschrieben hätte. Aus Urkunden kennen wir die Schreiber der Corali und wissen, dass Gio-
vanni da Lucca 1472 ein Psalterium, Lodovico Raimondi da Parma 1473 ein Psalterium und ein
Hvmnarium geschrieben hat, deren Miniaturen Guglielmo Giraldi ausführte. Auf diese drei Codices
sowie auf sechs kleinere Corali von untergeordnetem Kunstwerth habe ich schon oben hingewiesen.
Keiner von den Genannten hat einen Antheil an den 22 riesigen Chorbüchern des Domes,3 über deren
Herstellung wir gut unterrichtet sind.
Heute sind uns 22 Folianten (56 cm breit, 78 cm cm hoch) erhalten, deren braune Lederbände
mit reichsten Metallbeschlägen in Gestalt von Löwenköpfen, Delphinen, Hähnen, Sirenen, Masquerons etc.
geschmückt sind. Von besonderem Werthe sind die in der Mitte eingelassenen Medaillen; so schmückt
das Antiphonar Nr. n eine Medaille St. Georgs als Drachentödter von dem bekannten Medailleur Gian
Francesco Enzola, der ja auch für die herzogliche Münze thätig war; sie trägt die Umschrift:
»opus Johanis Francisci Parmensis 146g.« Freiere Nachbildungen von Giuliano de Apolinis (vgl.
Anhang, Nr. 257) finden sich unter Anderem an den Antiphonarien Nr. 1 (mit der Umschrift: »opus
Pauli de Appolinis aurifex« und »opus Juliani Appolini«), Nr. 2 (»opus Juliani Appolini«) und Nr. 5
1 Gius. Ant. Scalabrini, Memorie istoriche delle chiese di Ferrara (1773).
2 Gius. Antonelli, Documenti risguardanti i libri corali del duomo di Ferrara, im VI. Bande (S. 153 ff.) von Gualandis
Memorie originali italiane risguardanti le belle arti 1845; neugedruckt zur Feier der Cardinalserhebung des Erzbischofs von
Ferrara, Pietro Card. Rcspighi, 189g.
3 Ueber einige ältere Chorbücher des Domes, die nicht mehr erhalten sind, siehe Cittadella, Notizie relative a Ferrara,
p. 69 ft.