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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0214
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Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.

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Andrea dalle Vieze verzeichnet, der auch andere Schreiber beschäftigte; so lieferte er einen von
»Aloise Rossetto« geschriebenen Appian (1472) sowie ein »Breviario in carte bone, littera moderna,
che fo principiato per in sino al tempo del duca Borso . . . «. Zum 8. März 1472 wird bei Handschriften
des Tacitus, »Cino« und »Apiano« eigens bemerkt: »Li appressi scripti libri. . . se sono ricevuti da An-
drea dale Vieze.« Auch an dem berühmten Breviarium Ercoles I. war er (offenbar als Schreiber), wie
wir sehen werden, betheiligt.

Niccolö Mascarino aus Ferrara, von dem Handschriften des »Asino d'oro« und Flavius Blon-
dus eben erwähnt wurden, war wohl nur als Schreiber für den Hof thätig; denn während eine mit
seinem Namen und dem Datum 4. April 1478 bezeichnete Handschrift der Biblioteca comunale' in
Ferrara: »Regola e modo e forma di quello, che
denno usare a consolare et confortare le per-
sone, che sono iudicate a morte« mit einfachen
weissen verschlungenen Aestchen in den Initia-
len geziert ist, schmückt das prächtige Titelblatt
einer von Mascarino 1481 für Pico von Miran-
dola ausgeführten Handschrift der Naturge-
schichte des Plinius in der Biblioteca Marciana
zu Venedig (Classe VI, Cod. CCXLV, f. 3) eine
reiche Renaissancearchitektur von der Hand eines
geschickten aber unbekannten Miniators. Eine
Ercole I. gewidmete Uebersetzung der Kyropae-
die von Matteo Bojardo in der Biblioteca Estense
zu Modena (Cod. ital. CCCCXVI) wurde von
dem berühmten Kalligraphen Matthäus de
Contugiis aus Volterra geschrieben, der auch
den genannten prächtigen Dantecodex der Vati-
cana (Urb. 365) schrieb, dessen Miniaturen zum
Theil Giraldi ausführte. Der Schmuck des Codex
des Bojardo in Modena beschränkt sich auf das

Titelblatt, in dessen weisse Astverschlingungen der Randleiste Medaillons mit Emblemen (Paraduro,
Topf über Feuer, Diamantring) und das Estewappen eingefügt sind.

Der berühmteste unter den ferraresischen Kalligraphen war aber Sigismondo de Sigismun-
dis aus Carpi, der sich in einer bekannten Corvinushandschrift der Wiener Hofbibliothek (Cod. g3o),
den Commentaren des Hieronymus, bezeichnet: »Scriptum hoc opus per me Sigismundum de Si-
gismundis, Comitem Palatinum Ferrariensem, anno domini MCCCCLXXXVIII mensis octobris die
XVIIII.« Vier andere von ihm geschriebene Bände besitzt die Biblioteca Laurenziana in Florenz,
einen Codex des Sallust aus dem Besitze Pius VI. die Biblioteca Trivulziana in Mailand (Cod.
Nr. 694). Vor Allem hervorzuheben ist seine Betheiligung an der berühmten siebenbändigen Bibel des
Klosters Beiern (gegenwärtig im Torre do Tombo zu Lissabon), deren Miniaturen zum Theil Atta-
vante ausführte.

Ich will gleich hier auf einige dieser Zeit angehörende Miniaturcodices aufmerksam machen, die
für Ercole oder unter seiner Regierung entstanden, deren Miniatoren uns aber unbekannt sind: In einer
Handschrift der Calumnia des Lucian im königl. Kupferstichcabinet zu Berlin1 (Hamilton 416,
Seidlitz 55), die 1472 an Ercole I. geschenkt wurde, ist ausser dem einfachen im florentinischen Ge-
schmack ausgeführten Titelblatt nur eine interessante aber ziemlich flüchtig ausgeführte Darstellung

Niccolö Masca-
rino.

Fig. 70. St. Hieronymus, Miniatur in der Sammlung
von Beckerath in Berlin.

Matthäus
de Contugiis.

Sigismondo
de Sigismundis.

1 W. v. Seidlitz, Die illustrirten Handschriften der Hamiltonsammlung zu Berlin, im VI—VIII. Bande des Repertoriums
für Kunstwissenschaft. Leandro Biadene, I manoscritti italiani della collezione Hamilton nel R. Museo e nella R. Biblioteca di
Berlino, im Giornale storico della letteratura italiana, tom. X, p. 313 ff.
 
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