Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.
mona, der mit Liberale die Corali der Libreria zu Siena schmückte; neben ihm haben die Gadio und
Antonio da Cicognara ihrer Heimatstadt Cremona besonderen Ruhm gebracht.
Diese überreichen Candelaberrandleisten, deren glänzendstes Beispiel das Titelblatt des Pontificale
Alexanders VI. von der Hand des Antonio da Monza in der Albertina zu Wien ist, finden sich nun
auch in den ferraresischen Miniaturhandschriften dieser Zeit. Ob der lombardischen oder ferraresischen
Schule die Priorität zukommt, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen; doch möchte ich mich zu
Gunsten der mailändischen Miniatorenschule entscheiden, da einerseits diese Decoration sich so häufig
in lombardischen Manuscripten findet, andererseits dieses Decorationsprincip auffallenderweise gerade
um die Wende des XV. und XVI. Jahrhunderts in Ferrara verwendet wird, als nicht nur verwandt-
schaftliche Bande die beiden Höfe von Mailand und Ferrara verbanden sondern auch ein kunstsinniger
Prinz des Hauses Este, Ippolito I., Erzbischof von Mailand war.
Als ein drittes Moment habe ich auf die zahlreichen niederländischen Miniaturhandschriften der
Estebibliothek hingewiesen. Auf niederländische Vorbilder deuten wenigstens die in jener Zeit in
Ferrara unter Anderem angewendeten Randleisten aus höchst vollendeten, zarten Blümchen auf Pinsel-
goldgrund, wie solche den niederländischen Manuscripten der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts
vorwiegend eigen sind.
F'g- 75- Untere Randleiste des Titelblattes im Missale der Anna Sforza.
(Modena, R. Bibl. Estense, Cod. lat. GCGGXXXVIII, f. 7).
So bildet sich eine neue Richtung in der ferraresischen Miniaturmalerei, als deren prunkvollste Das Breviarium
und hervorragendste Leistungen drei Miniaturhandschriften von seltener Pracht erscheinen, die sich Offlum Alfen-
gegenwärtig sämmtlich in Oesterreich befinden: das Breviarium des Herzogs Ercole I. und das sos I. und das
Officium des Herzogs Alfonso I., beide im Besitze Seiner k. u. k. Hoheit des durchlauchtigsten olnaiUppolitoL
Herrn Erzherzogs Franz Ferdinand von Oesterreich-Este, und das Missale des Cardinais
Ippolito I. in der k. k. Universitätsbibliothek zu Innsbruck. Alle drei gehören einer Werk-
stätte an, wenn auch nicht alle Miniatoren des Breviariums an den beiden anderen Codices thätig er-
scheinen.1 Das älteste und kostbarste unter diesen drei Handschriften ist das Breviarium des Herzogs
Ercole I. Ehe ich jedoch auf die Miniaturen der Handschrift selbst eingehe, muss ich auf folgenden
Sachverhalt aufmerksam machen.
Herr Dr. Max Lehrs, Director des königl. Kupferstichcabinets in Dresden, hatte die Liebenswürdig-
keit, mich gelegentlich seines Aufenthaltes in Wien (im Frühjahre 1899) auf die Existenz italienischer
Miniaturen der Renaissance in Agram aufmerksam zu machen. In der Erwartung, etwa florentinische
Handschriften des XV. Jahrhunderts anzutreffen, wurde ich auf das Angenehmste überrascht, als ich in
den Miniaturen zu Agram Werke der ferraresischen Schule erkannte, die in engstem stilistischen Zu-
sammenhang mit dem später zu besprechenden Missale des Cardinais Ippolito I. in der k. k. Universitäts-
1 Mein Freund, Herr Dr. Max Dvofäk, theilt mir mit, dass sich ein kleines, reizendes Missale Ercoles I., dessen
Miniaturen seiner Meinung nach dieser Gruppe angehören, in der Bibliothek des Klosters Montecassino befindet. Ich
kenne leider das Original nicht und muss mich — da ich erst kurz vor Abschluss des Druckes Kenntnis davon erhielt —
auf diesen Hinweis beschränken.
mona, der mit Liberale die Corali der Libreria zu Siena schmückte; neben ihm haben die Gadio und
Antonio da Cicognara ihrer Heimatstadt Cremona besonderen Ruhm gebracht.
Diese überreichen Candelaberrandleisten, deren glänzendstes Beispiel das Titelblatt des Pontificale
Alexanders VI. von der Hand des Antonio da Monza in der Albertina zu Wien ist, finden sich nun
auch in den ferraresischen Miniaturhandschriften dieser Zeit. Ob der lombardischen oder ferraresischen
Schule die Priorität zukommt, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen; doch möchte ich mich zu
Gunsten der mailändischen Miniatorenschule entscheiden, da einerseits diese Decoration sich so häufig
in lombardischen Manuscripten findet, andererseits dieses Decorationsprincip auffallenderweise gerade
um die Wende des XV. und XVI. Jahrhunderts in Ferrara verwendet wird, als nicht nur verwandt-
schaftliche Bande die beiden Höfe von Mailand und Ferrara verbanden sondern auch ein kunstsinniger
Prinz des Hauses Este, Ippolito I., Erzbischof von Mailand war.
Als ein drittes Moment habe ich auf die zahlreichen niederländischen Miniaturhandschriften der
Estebibliothek hingewiesen. Auf niederländische Vorbilder deuten wenigstens die in jener Zeit in
Ferrara unter Anderem angewendeten Randleisten aus höchst vollendeten, zarten Blümchen auf Pinsel-
goldgrund, wie solche den niederländischen Manuscripten der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts
vorwiegend eigen sind.
F'g- 75- Untere Randleiste des Titelblattes im Missale der Anna Sforza.
(Modena, R. Bibl. Estense, Cod. lat. GCGGXXXVIII, f. 7).
So bildet sich eine neue Richtung in der ferraresischen Miniaturmalerei, als deren prunkvollste Das Breviarium
und hervorragendste Leistungen drei Miniaturhandschriften von seltener Pracht erscheinen, die sich Offlum Alfen-
gegenwärtig sämmtlich in Oesterreich befinden: das Breviarium des Herzogs Ercole I. und das sos I. und das
Officium des Herzogs Alfonso I., beide im Besitze Seiner k. u. k. Hoheit des durchlauchtigsten olnaiUppolitoL
Herrn Erzherzogs Franz Ferdinand von Oesterreich-Este, und das Missale des Cardinais
Ippolito I. in der k. k. Universitätsbibliothek zu Innsbruck. Alle drei gehören einer Werk-
stätte an, wenn auch nicht alle Miniatoren des Breviariums an den beiden anderen Codices thätig er-
scheinen.1 Das älteste und kostbarste unter diesen drei Handschriften ist das Breviarium des Herzogs
Ercole I. Ehe ich jedoch auf die Miniaturen der Handschrift selbst eingehe, muss ich auf folgenden
Sachverhalt aufmerksam machen.
Herr Dr. Max Lehrs, Director des königl. Kupferstichcabinets in Dresden, hatte die Liebenswürdig-
keit, mich gelegentlich seines Aufenthaltes in Wien (im Frühjahre 1899) auf die Existenz italienischer
Miniaturen der Renaissance in Agram aufmerksam zu machen. In der Erwartung, etwa florentinische
Handschriften des XV. Jahrhunderts anzutreffen, wurde ich auf das Angenehmste überrascht, als ich in
den Miniaturen zu Agram Werke der ferraresischen Schule erkannte, die in engstem stilistischen Zu-
sammenhang mit dem später zu besprechenden Missale des Cardinais Ippolito I. in der k. k. Universitäts-
1 Mein Freund, Herr Dr. Max Dvofäk, theilt mir mit, dass sich ein kleines, reizendes Missale Ercoles I., dessen
Miniaturen seiner Meinung nach dieser Gruppe angehören, in der Bibliothek des Klosters Montecassino befindet. Ich
kenne leider das Original nicht und muss mich — da ich erst kurz vor Abschluss des Druckes Kenntnis davon erhielt —
auf diesen Hinweis beschränken.