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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0227
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Hermann Julius Hermann.

netem Spitzengrund mit stilisirten Blümchen geschmückt werden sollte, oder »mezo principio« (z. B.
f. 432'), wenn eine Randleiste mit Blümchen auf goldenem Filigrangrund in Aussicht genommen war,
während die reichsten Blätter mit »uno principio« bezeichnet sind. Naturgemäss sind die Titelblätter

der vier Theile des Codex mit besonderer Pracht ausge-
stattet; hier waren ja die vier Vollbilder angebracht, die
gegenwärtig in den Passepartouts A—D in Agram auf-
bewahrt werden; hier findet sich auch der grösste Reichthum
in den Randleisten, die mit Cameen, Perlen und Juwelen,
Masquerons und Medaillons mit Bildchen, Wappen und Em-
blemen in verschwenderischer Pracht geschmückt sind. Zu
den Hauptfesten des Kirchenjahres sind Prachtblätter mit
Randleisten aus Blümchen auf farbigem Grund oder golde-
nem Filigrangrund eingefügt, die wieder mit Wappen, Em-
blemen, Vögeln etc. geziert sind. Von besonderer Schönheit
sind die Randleisten des Miniators c aus zarten, bunten
Akanthusranken mit stilisirten Blümchen auf Goldgrund,
während anderwärts Scheinarchitekturen (von der Hand des
Miniators b) die ganze Seite einnehmen, so dass eine ganz
ausnehmende Vielseitigkeit in der Ausstattung der Pracht-
blätter bemerkbar ist. Wie in der Borsobibel die Embleme
Borsos zum Theil mit jenen Ercoles übermalt erscheinen, so
sind hier über die Embleme Ercoles jene Alfonsos I. gemalt;
und zwar finden sich nachstehende Embleme Alfonsos: die »granata« oder »bomba«, eine Kugel mit
drei Flammen;1 dann fünf oder sieben zusammengebundene gebrochene Pfeile; ein Schloss mit drei
Thürmen, auf dessen Zinnen brennende Granaten stecken; drei Zweige mit Blättern, von Flammen um-
züngelt; ferner ein von Flammen umgebener, aus der Erde ragender Arm, der ein F in der Hand hält.
Ebenso sind auf Ercole bezügliche Inschriften auf Täfelchen in solche auf Alfonso bezügliche ver-
ändert; endlich findet sich neben dem herzoglichen Wappen das Wappen von Rovigo. Auch den kleine-
ren Initialbildern sind meist Randleisten aus Blümchen auf filigranartigem Spitzengrund beigefügt.

Der überaus grosse Reichthum der Ausstattung gestattet mir nur eine Erwähnung des Bemerkens-
werthesten unter dem vielen Vortrefflichen.

f. 1—6' enthält den Kalender, in welchen neben den beiden Schutzpatronen von Ferrara St. Georg (24. April) und
St. Maurelius (7. Mai) besonders die Festtage der Franciscanerheiligen eingetragen sind, und zwar:
17. Mai: Translatio S. Bernardini confessoris.
25. Mai: Translatio S. Francisci.
i3. Juni: S. Antonii, confessoris ordinis minorum.
2. August: Festum Portiuncule.
12. August: S. Cläre, virginis.
ig. August: S. Ludovici, episcopi.

17. September: Festum sacrorum stigmatum S. Francisci.
2. October: Translatio S. Cläre.

4. October: S. Francisci, fundatoris ordinis minorum.
6. November: Translatio S. Ludovici.

Da sich nun ein fast ganz übereinstimmendes Kalendarium auch in dem Innsbrucker Missale
des Cardinais Ippolito von demselben ausgezeichneten Kalligraphen findet, so liegt die Vermuthung
nahe, dass der Schreiber (vermuthlich Andrea dalle Vieze) ein Franciscanermönch war.

Zu jedem Monat ist am äusseren Rande ein Medaillon mit dem Zodiacuszeichen, oben eine
kleine Miniatur der Monatsbeschäftigung von dem Miniator a gemalt. Als besonders reizend
sei die Miniatur zum April (f. 2') erwähnt, wo ein Mädchen einen unter einem Baume sitzenden Jüng-

1 Man hat fälschlich angenommen, dass Alfonso erst nach 1512 dieses Emblem geführt hat; es findet sich bereits in
Codices aus dem Jahre 1506. Paolo Giovios Bemerkung (Ragionamento sopra i motti e disegni d'arme e d'amore, che
communemente chiamano imprese, in Veneria MDLVI) bezieht sich ja nur auf die diesem Emblem beigelegte Devise »loco e
tempore«.

Fig. 77. Auferstehung Christi, Miniatur des Mi-
niators b im Breviarium Ercoles I., f. 121'.

(Samml. Sr. k. u. k. Hoheit Erzh. Franz Ferdinand von
Oesterreich-Este).
 
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