Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

DOI issue:
I. Theil: Abhandlungen
DOI article:
Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0231
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
226

Hermann Julius Hermann.

im Zcitcostüm mit langem Lockenhaar auf eine reizende Frau im Zeitcostüm, Bethsabea, weist; ein
treffliches Bildchen von bewunderungswürdiger Feinheit und klarstem Colorit, in der Composition an
Ercoles »Lucrezia« in der Gallerie zu Modena erinnernd. Rechts von diesem Renaissancebau, vor
dem ein Perlhuhn gemalt ist, blicken wir in eine sanft ansteigende Hügellandschaft, in der ein Reiter
in ein hochgiebeliges Stadtthor reitet und ganz im Hintergrunde eine Schaar Ritter vorbeistürmt.
Vorne neben einem Teich, in dem eine Wildente rudert, sitzt David in blauem Gewand, rothem, grün
gefütterten Mantel und Turban und spielt Zither; am Himmel erscheint ihm in Wolken segnend
Jehova mit der krystallenen Weltkugel in der Linken (zum Psalterium, Psalm i: »Beatus vir, qui non
abiit in consilio impiorum«).
f. 218': beginnt das Psalterium mit dem Psalm 1: »Beatus vir, qui non abiit in consilio impiorum«. Die reiche
Randleiste auf blau, roth und schwarz getheiltem Grunde mit Goldpünktchen zeigt rechts und links
wieder candelaberartigen Aufbau, darin links eine Frau mit Turban; unten in der Mitte zwischen
Blümchen ein Medaillon mit einem Vogel; in der Initiale B: David im Gebete (Hand b).

Im Folgenden sind die bedeutsamsten Psalmen durch
Randleisten mit Emblemen und Initialbildern ausgezeichnet,
f. 278: beginnt das Proprium sanetorum (»ineipiunt festivitates
sanetorum per anni circulum«), vor welchem (zwischen f. 277
und f. 278) die Agramer Miniatur »Passepartout B«
eingefügt war (Taf. XXIX, 2). Wie in der Agramer Miniatur
A sind auch hier die beiden Randleisten rechts und links in
Candelabergestalt aufgebaut und mit Perlen, Edelsteinen, Ca-
meen, Masquerons u. A. m. geschmückt. Zwei Engelchen (links)
halten das Familienwappen der Este, während in einem Me-
daillon rechts ein goldenes Wappenschildchen angebracht ist.
Die obere, reich mit Perlen geschmückte Randleiste zeigt einen
blauen Schild zwischen je zwei Füllhörnern, aus denen männ-
liche Oberleiber hervorkommen, während unten zwischen
zarten Blümchen und Edelsteinen auf schwarzem, goldpunktir-
ten Grunde ein kreisrundes Bildchen angebracht ist, welches
den gefesselten Andreas vor dem heidnischen König vorstellt;
ein zweites Rundbild in der linken Randleiste stellt den ge-
kreuzigten Petrus dar. Von ausserordentlicher Schönheit ist
Fig. 81. Die Heimsuchung, Miniatur in dem Bre- das grosse Mittelbild der Berufung der Apostel. Wir blicken

viarium Ercoles I., f. 36i. in eine weite Seelandschaft mit Fernsicht auf das Meer; im Vor-

(Samml. Sr. k. u. k. Hoheit Erzh. Franz Ferdinand dergrunde in einer Bucht stehen in einem Kahne Petrus und

von Oesterreich-Este). Andreas als Fischer, denen der am Ufer stehende Heiland zu-

ruft. Von romantischem Reiz ist links im Hintergrunde ein
Städtchen, dessen hochgiebelige Häuser sich an einen Felsen lehnen, den eine Burg krönt, ganz von
jenem Zauber, der Dürer'schen Landschaften eigen ist. Mit besonderer Sorgfalt sind alle Details aus-
geführt: die Bäumchen am Ufer, ein Hündchen im Vordergrunde, wo Schilf aus dem Wasser ragt,
die Felscnburg im Hintergrunde u. s. f. Das stimmungsvolle Bildchen, welches der Miniator a aus-
führt, erinnert an Domenico Panettis Verkündigung im Ateneo zu Ferrara.

Mit dem Titelblatt zum Proprium sanetorum (f. 278) tritt der Miniator c ein, dessen Miniaturen
vielfach an Lodovico Mazzolino erinnern; von ihm und dem Miniator b rührt die Mehrzahl der
prächtigen Blätter im Folgenden her; einige besonders hervorragende Miniaturen verrathen die Hand
des Miniators a. Ich hebe hervor:
f. 278: Titelblatt zum Proprium sanetorum von dem Miniator c: Randleiste, rechts und links reiche phantastische
Candelaber im Renaissancestil auf Gold, geschmückt mit Juwelen, Inschrifttäfelchen, dem weissen
Esteadler, monströsen Thieren (Reihern mit Drachenschwanz), Medaillons mit Heiligen u. A. m.;
oben Palmetten und Lotos, dazwischen Münzen; unten zwischen farbigen Akanthusranken ein Me-
daillon mit dem Brustbilde eines Mannes; in den Eckfeldern Putto, Satyr, Krieger und Victoria. In
der Initiale D: Martyrium des heiligen Saturninus, in lebhaftem Colorit.

Im Folgenden sind bei den Initialbildern zu den Hauptfesten der Heiligen, wenn nichts ande-
res ausdrücklich erwähnt wird, Randleisten aus Blümchen auf goldenem Spitzengrunde mit Medaillons,
trefflichen Thierbildern (besonders ein Reiher und andere Vögel ausgezeichnet), Münzen, Wappen
und Emblemen gemalt; bemerkenswerther sind folgende Initialbilder:
f. 278': Der gekreuzigte Petrus (Miniator c).
f. 281': St. Ambrosius als Lehrer (Miniator c).
f. 283: Mariä Empfängnis (Miniator b).
f. 290: Der ungläubige Thomas (Miniator b).
f. 3o3: Darstellung im Tempel (Miniator c).

f. 309': Der Apostel Mathias, auf seinem Pult schreibend (Miniator c).
f. 3i2': Verkündigung (Miniator b).
 
Annotationen