V
Hermann Julius Hermann.
s Das Gebetbuch Alfonsos, in regelmässiger gothischer Minuskel geschrieben,
ist ein Quartband (17-5 cm breit, 26 cm hoch) von 179 f. in einem goldgepressten
rothen Saffianband des XVIII. Jahrhunderts. Seiner Vollbilder beraubt, bilden
heute die neunzehn aus höchst sorgfältig ausgeführten bunten Blümchen auf mattem Gold-
grunde bestehenden Randleisten seinen schönsten Schmuck. In eingefügten Medaillons sind
die Embleme Alfonsos sowie dessen Wappen, öfter mit der Beischrift: »Alfonsus dux Ferra -
riae III«, und das Wappen von Rovigo, weiter Verse, die sich auf die Darstellungen beziehen,
eingefügt; Vögel und Monstren von seltenster Phantastik, Perlen, Cameen und Edelsteine von
höchster Farbenpracht dienen zur Belebung der völlig im niederländischen Geiste ausgeführ-
ten Randleisten. Wie in dem Breviarium sind auch hier die Stellen kenntlich, an denen die
Miniaturen ausgeschnitten wurden; nur bei den Passionsbildern ist dies nicht mehr mit Sicher-
heit zu entscheiden.
Ich hebe im Folgenden die wichtigsten Blätter hervor und beschränke mich hinsichtlich
der durchgehends in demselben Typus gehaltenen Randleisten auf die Angabe des Bemerkens-
werthesten :
Voran geht (f. 1 — f. 12) ein Kalender, in dem die Eintragung zum 4. October »sancti Francisci
minorum dux (sie!)« wieder einen Franciscaner als Schreiber vermuthen lässt; doch muss erwähnt
werden, dass die Schrift hier einen anderen Charakter hat als in dem Breviar und dem Innsbrucker
Missale.
f. i3: folgt eine »oratio previa reliquis orationibus et officio«. In der Randleiste sind ausser
einem Zeisig zwei äusserst phantastische Monstren (das eine mit Libellenflügeln) bemerkens-
werth. In der mit Perlen geschmückten Initiale Q_ befindet sich das Brustbild des betenden
Alfonso in vollster Rüstung, dem am Himmel Gott erscheint (Fig. 85).
Daran schliesst sich (f. 14) der Anfang des Evangeliums Johannis mit dem Brustbilde des Evan-
gelisten in der Initiale; in der Randleiste unten zwei merkwürdige Monstren. Dann folgen die »Sequen-
zen« aus den Evangelien mit den Evangelisten in den Initialen, und zwar:
f. 15: St. Lucas; in der Randleiste unten höchst phantastische Monstren,
f. 16: St. Matthäus; in der Randleiste ein Gimpel und ein Eisvogel,
f. 17: St. Marcus; in der Randleiste ein Gimpel und ein Zeisig.
Vor der mit einer prächtigen Randleiste mit phantastischen Monstren und dem Initial-
bilde des Evangelisten Johannes ausgezeichneten »Passio domini nostri Jesu Christi secundum
Joannem« (f. 17') war vermuthlich die Agramer Miniatur (Passepartout G, Nr. 3)
des Judaskusses eingefügt (Taf. XXXII, 5). Im Vordergrunde gibt Judas dem Heiland den Kuss;
rechts stürzen die Soldaten herbei, während Petrus dem Malchus das Ohr abschneidet und
einer der Apostel entflieht. Von besonderer Schönheit ist die äusserst malerische Landschaft,
in deren Vordergrund sich ein gigantischer Felsen erhebt,
f. 28: beginnt das Officium beatae Mariae virginis. Da die zu den Tagzeiten »ad nonam«, »ad
vesperas« und »ad completorium« üblichen Bildchen des Kindermordes, der Flucht nach
Aegypten und Krönung Marias fehlen, die Agramer Miniaturen der Auferstehung und Himmel-
fahrt sonst keinen sicheren Platz in dem Codex finden, vermuthe ich, dass diese beiden Dar-
stellungen nebst dem Tode der Madonna in die horae beatae Mariae virginis eingefügt waren,
wie in dem ferraresischen Officium der Biblioteca comunale zu Forli und in dem Breviarium
Ercoles I. (f. 214'—f. 216') in ähnlicher Weise die sieben Freuden Mariae dargestellt sind;
darnach würden die Agramer Miniaturen, die sämmtlich dem Miniator a angehören, sich in
folgender Weise eingliedern, wobei ich bemerke, dass jeder Miniatur ein Titelblatt mit
reichen Randleisten und Initialbildern entspricht.1
Zwischen f. 27 und f. 28: Agramer Miniatur, Passepartout F, Nr. 1 (ad matutinam): Die Ver-
kündigung, ausgezeichnet durch die schöne Landschaft und den reizenden, halbzerstörten Re-
naissancepalast rechts, in welchem die Madonna sitzt (Taf. XXXII, 1); unter diesem Bildchen
auf Goldgrund vier Propheten, welche die Geburt des Heilands vorhersagten: Isaias, David,
Ezechiel und Jeremias.
1 Es wäre natürlich auch möglich, dass die Miniaturen zu den Tagzeiten »ad nonam, ad
vesperas und ad completorium« verloren gegangen sind und die drei Miniaturen der Auferstehung,
der Himmelfahrt und des Todes Marias an anderen nicht mehr sicherzustellenden Plätzen im
Codex (vielleicht vor den »Sequenzen«) eingefügt waren.
Fig. 86. Initiale mit Filigranverzierungen aus
dem Missale des Cardinais Ippolito I.
(Innsbruck, k. k. Universitätsbibl., Cod. 43, f. 146').
Hermann Julius Hermann.
s Das Gebetbuch Alfonsos, in regelmässiger gothischer Minuskel geschrieben,
ist ein Quartband (17-5 cm breit, 26 cm hoch) von 179 f. in einem goldgepressten
rothen Saffianband des XVIII. Jahrhunderts. Seiner Vollbilder beraubt, bilden
heute die neunzehn aus höchst sorgfältig ausgeführten bunten Blümchen auf mattem Gold-
grunde bestehenden Randleisten seinen schönsten Schmuck. In eingefügten Medaillons sind
die Embleme Alfonsos sowie dessen Wappen, öfter mit der Beischrift: »Alfonsus dux Ferra -
riae III«, und das Wappen von Rovigo, weiter Verse, die sich auf die Darstellungen beziehen,
eingefügt; Vögel und Monstren von seltenster Phantastik, Perlen, Cameen und Edelsteine von
höchster Farbenpracht dienen zur Belebung der völlig im niederländischen Geiste ausgeführ-
ten Randleisten. Wie in dem Breviarium sind auch hier die Stellen kenntlich, an denen die
Miniaturen ausgeschnitten wurden; nur bei den Passionsbildern ist dies nicht mehr mit Sicher-
heit zu entscheiden.
Ich hebe im Folgenden die wichtigsten Blätter hervor und beschränke mich hinsichtlich
der durchgehends in demselben Typus gehaltenen Randleisten auf die Angabe des Bemerkens-
werthesten :
Voran geht (f. 1 — f. 12) ein Kalender, in dem die Eintragung zum 4. October »sancti Francisci
minorum dux (sie!)« wieder einen Franciscaner als Schreiber vermuthen lässt; doch muss erwähnt
werden, dass die Schrift hier einen anderen Charakter hat als in dem Breviar und dem Innsbrucker
Missale.
f. i3: folgt eine »oratio previa reliquis orationibus et officio«. In der Randleiste sind ausser
einem Zeisig zwei äusserst phantastische Monstren (das eine mit Libellenflügeln) bemerkens-
werth. In der mit Perlen geschmückten Initiale Q_ befindet sich das Brustbild des betenden
Alfonso in vollster Rüstung, dem am Himmel Gott erscheint (Fig. 85).
Daran schliesst sich (f. 14) der Anfang des Evangeliums Johannis mit dem Brustbilde des Evan-
gelisten in der Initiale; in der Randleiste unten zwei merkwürdige Monstren. Dann folgen die »Sequen-
zen« aus den Evangelien mit den Evangelisten in den Initialen, und zwar:
f. 15: St. Lucas; in der Randleiste unten höchst phantastische Monstren,
f. 16: St. Matthäus; in der Randleiste ein Gimpel und ein Eisvogel,
f. 17: St. Marcus; in der Randleiste ein Gimpel und ein Zeisig.
Vor der mit einer prächtigen Randleiste mit phantastischen Monstren und dem Initial-
bilde des Evangelisten Johannes ausgezeichneten »Passio domini nostri Jesu Christi secundum
Joannem« (f. 17') war vermuthlich die Agramer Miniatur (Passepartout G, Nr. 3)
des Judaskusses eingefügt (Taf. XXXII, 5). Im Vordergrunde gibt Judas dem Heiland den Kuss;
rechts stürzen die Soldaten herbei, während Petrus dem Malchus das Ohr abschneidet und
einer der Apostel entflieht. Von besonderer Schönheit ist die äusserst malerische Landschaft,
in deren Vordergrund sich ein gigantischer Felsen erhebt,
f. 28: beginnt das Officium beatae Mariae virginis. Da die zu den Tagzeiten »ad nonam«, »ad
vesperas« und »ad completorium« üblichen Bildchen des Kindermordes, der Flucht nach
Aegypten und Krönung Marias fehlen, die Agramer Miniaturen der Auferstehung und Himmel-
fahrt sonst keinen sicheren Platz in dem Codex finden, vermuthe ich, dass diese beiden Dar-
stellungen nebst dem Tode der Madonna in die horae beatae Mariae virginis eingefügt waren,
wie in dem ferraresischen Officium der Biblioteca comunale zu Forli und in dem Breviarium
Ercoles I. (f. 214'—f. 216') in ähnlicher Weise die sieben Freuden Mariae dargestellt sind;
darnach würden die Agramer Miniaturen, die sämmtlich dem Miniator a angehören, sich in
folgender Weise eingliedern, wobei ich bemerke, dass jeder Miniatur ein Titelblatt mit
reichen Randleisten und Initialbildern entspricht.1
Zwischen f. 27 und f. 28: Agramer Miniatur, Passepartout F, Nr. 1 (ad matutinam): Die Ver-
kündigung, ausgezeichnet durch die schöne Landschaft und den reizenden, halbzerstörten Re-
naissancepalast rechts, in welchem die Madonna sitzt (Taf. XXXII, 1); unter diesem Bildchen
auf Goldgrund vier Propheten, welche die Geburt des Heilands vorhersagten: Isaias, David,
Ezechiel und Jeremias.
1 Es wäre natürlich auch möglich, dass die Miniaturen zu den Tagzeiten »ad nonam, ad
vesperas und ad completorium« verloren gegangen sind und die drei Miniaturen der Auferstehung,
der Himmelfahrt und des Todes Marias an anderen nicht mehr sicherzustellenden Plätzen im
Codex (vielleicht vor den »Sequenzen«) eingefügt waren.
Fig. 86. Initiale mit Filigranverzierungen aus
dem Missale des Cardinais Ippolito I.
(Innsbruck, k. k. Universitätsbibl., Cod. 43, f. 146').