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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0242
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Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.

237

f.

(»in festo gloriosissimi Corporis Christi«): Randleiste aus Blumen auf goldenem Filigranspitzengrunde; in
der Initiale C: der Bischof mit dem Allerheiligsten unter dem von vier Priestern getragenen
Himmel (Miniator c).

Im Folgenden sind mehrere Initialen nicht ausgeführt und meist nur mit dem Bleistift vorge-
zeichnet, zum Theil auch mit der Feder ausgezogen.

f. 226 beginnt das Proprium sanctorum. Die glänzende Randleiste aus herrlichen Akanthusranken mit Blüthen
schmücken wieder Cameen, Inschriften, Perlen und das Wappen. Das Initialbild stellt den Apostel
Andreas mit dem Andreaskreuz dar. Im Folgenden sind zu den Hauptfesten der Heiligen Pracht-
blätter in derselben Art wie bisher ausgeführt; bewunderungswürdig ist dabei die Mannigfaltigkeit der
Randleisten. Einige nicht ausgeführte Blätter lassen wenigstens durch die Vorzeichnung erkennen,
dass eine reiche Decoration geplant war, und zwar f. 237 zu Maria Lichtmess, f. 242 zur Verkün-
digung, f. 246' zum Feste: »S. Maureiii, Ferrariensis episcopi et martyris«, f. 253 zum Feste
Johannes des Täufers. Ausgeführt sind folgende Prachtblätter (sämmtliche vom Miniator c):

f. 243: In der Randleiste oben die Devise Ercoles: »Deus forti-
tudo mea«, die den Miniator als einen Mitarbeiter des
Breviariums erscheinen lässt, aus dem er wohl ge-
wohnheitsgemäss die Devise Ercoles in einen Codex
eines Sohnes des Herzogs übernahm. Das reizende
Initialbild (Fig. 97), welches den heiligen Georg als
Drachentödter darstellt, erinnert in der Auffassung
an das von demselben Miniator c ausgeführte Initial-
bild des Gegenstandes im Breviarium Ercoles (f. 317').
Die Ueberschrift »in sancti Georgii, inclyti patroni
nostri«, spricht deutlich für Ferrara.

Von besonderer Wichtigkeit ist das Prachtblatt auf f. 245',
dessen Initialbild die Kreuzfindung durch St. He-
lena darstellt; wichtig, weil sich in der reich mit
Edelsteinen geschmückten Randleiste (Fig. 102) drei-
mal eine Aufschrift befindet, die allerdings erst der
Erklärung bedarf, und zwar:

links oben in der Ecke: »PHILOGRAPHI OPVS«
links unten in der Ecke: »PHILOGRAPHVS« ;
rechts in der Mitte: »<(> I A O TPA <t> O X«.

Fig. 96. Verkündigung an die Hirten, Miniatur in
dem Missale des Cardinais Ippolito I.

(Innsbruck, k. k. Universitätsbibliothek, Cod. Nr. 43,
f. 19').

Zweifellos ist diese Bezeichnung als ein Pseudonym
aufzufassen; doch war nicht zu ermitteln, welche Be-
ziehung dieses Pseudonym zu dem eigentlichen Namen
dieses an Mazzolino erinnernden Meisters c (vermuth-
lich Cesare dalle Vieze) hat, der sich hier ausdrücklich als »Philographus«, als »Schreibfreund«
oder in falscher Etymologie als »Sohn des Schreibers« bezeichnet.1

Einige Initialbilder des Miniators c im Folgenden verdienen Erwähnung wegen ihres Colorits und
der Feinheit der Ausführung:

f. 256': Petrus und Paulus, ausgezeichnet durch leuchtendes Colorit (Fig. 98).

f. 258: Die Heimsuchung.

f. 262: Maria Magdalena (Fig. 100).

f. 263': St. Jacobus (Fig. 99).

f. 266: St. Dominicus.

f. 271: Initiale G, mit einer besonders schönen Miniatur der Himmelfahrt der Madonna (Fig. 101).

Zu dem f. 292' beginnenden Commune sanctorum sind die Initialen nicht ausgeführt; nur zur Todten-
messe (f. 340') findet sich in der Initiale R ein Todtenkopf zwischen zwei brennenden Kerzen gemalt.

Das bisher unbekannte Missale des Cardinais Ippolito I., auf welches ich hier zum ersten Male
aufmerksam mache, ist nicht nur eines der reichsten und kostbarsten Werke der italienischen Renais-
sance sondern auch unter den estensischen Handschriften ein Juwel der Ornamentik der Randleisten.
Doch auch die reizenden Initialbildchen des Miniators c sowie das grosse Titelbild des Miniators a
erheben dieses Missale zu einem Schatz von seltenster Schönheit. Mit dem Breviarium Ercoles und dem
Officium Alfonsos bildet das Missale des Cardinais Ippolito I. eine Gruppe von drei auserlesenen Kunst-

1 Cesares Vater, Andrea dalle Vieze, war allerdings, wie wir gesehen haben, vornehmlich als Schreiber thätig;
soll vielleicht damit das Pseudonym in Zusammenhang stehen?

XXI. 31
 
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