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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 21.1900

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I. Theil: Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara: Stilkritische Studien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5733#0243
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Hermann Julius Hermann.

werken, die von selbst widerlegen, dass unter Ercole die Miniaturmalerei in Verfall gerathen sei. Gegen-
über diesen drei Prachtstücken.treten allerdings die übrigen erhaltenen Handschriften dieser Art weit
zurück.

Verwandte Nur mit wenigen Worten will ich auf einige Codices hinweisen, die der Stilrichtung dieser drei

Codices, vollendetsten Schöpfungen der ferraresischen Miniaturmalerei jener Zeit nahestehen.1 In erster Linie
ist hier ein Officium beatae Mariae virginis secundum ordinem Cartusiensium (also aus der Certosa)
in der Biblioteca comunale zu Ferrara (Classe II, Cod. 77) zu nennen, in dessen Kalender zum 3. De-
cember später eingetragen ist: »Obiit dominus Benedictus de Trechate, procurator huius domus, qui
scripsit hoc opus 1508.« Der Codex enthält einige Initialbilder, die mit den Initialminiaturen der
Hand a im Innsbrucker Missale stilistisch übereinstimmen, so dass diesem trefflichen Miniator wohl
auch die Miniaturen dieses Officiums angehören; besonders reizend ist das Initialbild auf f. 1, das die
Madonna mit dem Jesukinde im Schoosse darstellt. Vor den Busspsalmen findet sich (auf f. 53) das Brust-
bild des betenden David in einer mit einem Masqueron gezierten Initiale. Derselben Stilrichtung gehören
zwei Codices der Biblioteca Estense an: ein Psalterium secundum ordinem fratrum Cartusiae«
(also auch aus der Certosa, Cod. lat. DCCCCXCI), dessen Titelblatt (f. 5) eine roh ausgeführte Rand-
leiste aus symmetrischen Akanthusranken auf Goldgrund und eine Initialminiatur mit dem zither-
spielenden David schmückt; und ein Breviarium Dominicanum (Cod. lat. DCCCCXX1I), welches
nebst dem Titelblatt einige hübsche Initialbilder enthält. In der aus zarten Blümchen bestehenden
Randleiste des Titelblattes sind in Medaillons die Halbfiguren der heiligen Katharina von Siena, des
heiligen Hieronymus und des Täufers — an Ercole Roberti erinnernde Gestalten — eingefügt; in der
Initiale B ist das Brustbild des zitherspielenden David gemalt, in der Art des Miniators a, dem vielleicht
auch das überaus feine, ganz in der Art des Innsbrucker Missales ausgeführte Brustbild des Isaias in
der Initiale E auf f. 77 angehört; dieselbe Stilrichtung zeigen einige der folgenden Initialbilder, wäh-
rend in der zweiten Hälfte des Codex die Mehrzahl der reizenden
Initialen vollends lombardisches Gepräge trägt. Endlich nenne ich
ein Corale des Domes zu Modena, einen »Uber cantus ad usum
chori« (Signatur O, III, 17; vgl. Dondi, a. a. O., p. 281), dessen
überaus zarte Renaissanceranken auf Goldgrund in der Randleiste
gleich dem Initialbild mit dem betenden David im Stile des Inns-
brucker Missales (besonders Hand c) ausgeführt sind.

1 Stilverwandt dem Miniator a erscheinen auch mehrere Miniaturcodices
aus der Bibliothek des Herzogs Andrea Matteo III. Acquaviva; vgl. meine Ab-
handlung über diese im XIX. Bande des Jahrbuches der kunsthistorischen Samm-
lungen des Allerhöchsten Kaiserhauses.

iii'i ... ■ |- , ■ - miili 1111*

Fig. 97. St. Georg und Stück einer Randleiste in dem Missale des Cardinais Ippolito I.
(Innsbruck, k. k. Universitätsbibliothek, Cod. Nr. 43, f. 243).
 
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