Zur Geschichte der Miniaturmalerei am Hofe der Este in Ferrara.
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Völlig im Stile Francias sind die Miniaturen eines Corale des Museo Civico zu Bologna
(Nr. 67) und eines zweiten der Biblioteca Estense (Cod. Nr. 1009) gehalten, die im Auftrage einer
Dominicanerin Soror Bernardina de Isolanis von deren Bruder, einem Carmeliter, Frater Baldasar de
Isolanis (1507 und 1508) ausgeführt wurden. Im Museo Civico zu Bologna befinden sich noch einige
Corali derselben Art. Ungefähr in dieselbe Zeit fällt endlich ein Lectionar von S. Petronio in der
Universitätsbibliothek zu Bologna (Cod. Nr. 892).
Zum Schlüsse dieses Abschnittes will ich zwei der berühmtesten Cimelien italienischer Miniatur-
malerei zur Sprache bringen, die in jüngster Zeit für die Schule in Ferrara in Anspruch genommen
worden sind: das Missale des Cardinais Domenico della Rovere im Museo Ci-
vico in Turin1 und das Decretum Gratiani des Lorenzo Roverella im Museo
Civico di Schifanoja (vormals in der Biblioteca comunale) zu Ferrara.2 Wenn auch
einer späteren Zeit als das Decretum Gratiani angehörend, möchte ich doch vorerst das
überaus kostbare Missale einer Betrachtung unterziehen, da es mit dem oben besproche-
nen Breviarium Ercoles in Zusammenhang gebracht wurde. Nachdem Chiuso auf Grund
Fig. IOO. Magdalena, Miniatur in dem
Missale des Cardinais Ippolito I.
(Innsbruck, k. k. Universitätsbibliothek,
Cod. Nr. 43, f. 262.)
Fig. 101. Maria Himmelfahrt, Miniatur in dem
Missale des Cardinais Ippolito I.
(Innsbruck, k. k. Universitätsbibliothek, Cod.
Nr. 43, f. 271.)
1 A. Venturi, Alcune miniature, Museo Civico di Torino, im III. Bande der Gallerie nazionali italiane, p. 160 ff. (mit
2 Heliogravuretafeln). Die Mehrzahl der Miniaturen des Codex publicirte zuerst T. Chiuso in seiner »Descrizione di un mes-
sale del cardinale Domenico della Rovere«, Torino 1875.
2 A. Venturi, La miniatura ferrarese nel secolo XV e il Decretum Gratiani, im IV. Bande der Gallerie nazionali italiane,
p. 187—209 (mit zum Theil farbigen aber recht ungenügenden Abbildungen der Miniaturen).
Das Missale
des Cardinais
Domenico della
Rovere.
einer Mittheilung Milanesis in den Miniaturen Werke eines umbrischen Miniators aus
dem Kreise des Perugino vermuthet hatte, in einzelnen aber auch an Garofalo erinnert
wurde, hat sich neuerdings Venturi für die ferraresische Schule ausgesprochen. Erfindet, dass die Mi-
niaturen des Turiner Missales mit denen der besten Hand des Breviariums Ercoles I. völlig überein-
stimmen und dass beide einem Meister angehören, in welchem Venturi den im letzten Jahrzehent des
Quattrocento blühenden »miniatore e pittore« Gian Francesco Maineri, einen Nachfolger Ercole
Robertis, zu erkennen geneigt ist. Abgesehen davon, dass ich diese Identificirung mit Maineri, da uns
doch keine authentischen Miniaturen dieses Meisters erhalten sind, für ziemlich gewagt halte, muss
hier constatirt werden, dass trotz mancher stilistischen Aehnlichkeit gewiss nicht beide Werke dem-
selben Meister angehören. Muss auch zugegeben werden, dass einzelne Figuren an Ercole Roberti,
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Völlig im Stile Francias sind die Miniaturen eines Corale des Museo Civico zu Bologna
(Nr. 67) und eines zweiten der Biblioteca Estense (Cod. Nr. 1009) gehalten, die im Auftrage einer
Dominicanerin Soror Bernardina de Isolanis von deren Bruder, einem Carmeliter, Frater Baldasar de
Isolanis (1507 und 1508) ausgeführt wurden. Im Museo Civico zu Bologna befinden sich noch einige
Corali derselben Art. Ungefähr in dieselbe Zeit fällt endlich ein Lectionar von S. Petronio in der
Universitätsbibliothek zu Bologna (Cod. Nr. 892).
Zum Schlüsse dieses Abschnittes will ich zwei der berühmtesten Cimelien italienischer Miniatur-
malerei zur Sprache bringen, die in jüngster Zeit für die Schule in Ferrara in Anspruch genommen
worden sind: das Missale des Cardinais Domenico della Rovere im Museo Ci-
vico in Turin1 und das Decretum Gratiani des Lorenzo Roverella im Museo
Civico di Schifanoja (vormals in der Biblioteca comunale) zu Ferrara.2 Wenn auch
einer späteren Zeit als das Decretum Gratiani angehörend, möchte ich doch vorerst das
überaus kostbare Missale einer Betrachtung unterziehen, da es mit dem oben besproche-
nen Breviarium Ercoles in Zusammenhang gebracht wurde. Nachdem Chiuso auf Grund
Fig. IOO. Magdalena, Miniatur in dem
Missale des Cardinais Ippolito I.
(Innsbruck, k. k. Universitätsbibliothek,
Cod. Nr. 43, f. 262.)
Fig. 101. Maria Himmelfahrt, Miniatur in dem
Missale des Cardinais Ippolito I.
(Innsbruck, k. k. Universitätsbibliothek, Cod.
Nr. 43, f. 271.)
1 A. Venturi, Alcune miniature, Museo Civico di Torino, im III. Bande der Gallerie nazionali italiane, p. 160 ff. (mit
2 Heliogravuretafeln). Die Mehrzahl der Miniaturen des Codex publicirte zuerst T. Chiuso in seiner »Descrizione di un mes-
sale del cardinale Domenico della Rovere«, Torino 1875.
2 A. Venturi, La miniatura ferrarese nel secolo XV e il Decretum Gratiani, im IV. Bande der Gallerie nazionali italiane,
p. 187—209 (mit zum Theil farbigen aber recht ungenügenden Abbildungen der Miniaturen).
Das Missale
des Cardinais
Domenico della
Rovere.
einer Mittheilung Milanesis in den Miniaturen Werke eines umbrischen Miniators aus
dem Kreise des Perugino vermuthet hatte, in einzelnen aber auch an Garofalo erinnert
wurde, hat sich neuerdings Venturi für die ferraresische Schule ausgesprochen. Erfindet, dass die Mi-
niaturen des Turiner Missales mit denen der besten Hand des Breviariums Ercoles I. völlig überein-
stimmen und dass beide einem Meister angehören, in welchem Venturi den im letzten Jahrzehent des
Quattrocento blühenden »miniatore e pittore« Gian Francesco Maineri, einen Nachfolger Ercole
Robertis, zu erkennen geneigt ist. Abgesehen davon, dass ich diese Identificirung mit Maineri, da uns
doch keine authentischen Miniaturen dieses Meisters erhalten sind, für ziemlich gewagt halte, muss
hier constatirt werden, dass trotz mancher stilistischen Aehnlichkeit gewiss nicht beide Werke dem-
selben Meister angehören. Muss auch zugegeben werden, dass einzelne Figuren an Ercole Roberti,