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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0090
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84

Max Dvorak.

simae Virginis« enthielt. Die Handschrift wurde von dem Finder für ein Werk des Ernst von Pardubitz
gehalten. Ernst von Pardubitz war eine gewaltige Gestalt im Sinne der mittelalterlichen Hierarchen,
er versuchte eine Reform der kirchlichen Verhältnisse in Böhmen auf kirchlicher Grundlage und wurde
in der Gegenreformation als der letzte blühende Baum der kirchlichen Tugend vor der Sündfluth der
Hussitenkriege gefeiert. Die Gesellschaft Jesu gab die Handschrift im Jahre 1651 unter dem Titel:
»Mariale, sive liber de praecellentibus et eximiis dei genitricis Mariae ab Ernesto primo archiepiscopo
Pragensi conscriptus« heraus; doch bereits damals wurde an der Autorschaft des Ernst gezweifelt.1
Das Mariale ist ein mystisch-typologischer Tractat, der im XIV. Jahrhundert sehr verbreitet gewesen
zu sein scheint und über dessen Autor mir nichts bekannt ist.2 Die Handschrift, welche im Jahre 1648
in Prag gefunden wurde, befindet sich heute in der Hofbibliothek. Es ist, wie schon erwähnt wurde,
ein in Italien geschriebener und illuminirter Codex, der mit dem Wappen des Ernst von Pardubitz ge-
schmückt ist. Die Handschrift im Landesmuseum wurde in einer Einzeichnung aus dem XV. Jahr-
hundert als Mariale ecclesiae Pragensis bezeichnet und auf Grund dieser Benennung nahmen alle, die
über den Codex schrieben, eine Identität des Inhalts der Handschrift mit der Wiener Handschrift und
dem Drucke vom Jahre 1651 an. Der Prager Codex enthält jedoch die »Laus Mariae«, welche im
Jahre 1356 von dem Karthäuser und Dichter Konrad von Haimburg auf Aufforderung des erwählten
Bischofs von Trient Meinhard von Neuhaus verfasst wurde und die uns in vielen Handschriften über-
liefert ist.3 Es ist ein Compendium von Auszügen aus den Kirchenschriftstellern, aus Augustin, Bern-
hard, Anselm, Hugo von St. Victor, Petrus von Paris u. s. w., die sich auf die Verherrlichung Mariens
beziehen und chronologisch geordnet sind. Das illuminirte Prager Exemplar befand sich wohl früher
im Besitze des Prager Erzbisthums, wurde diesem jedoch erst im XV. Jahrhundert geschenkt und ent-
hält nicht den mindesten Anhaltspunkt für die Annahme, dass es für den ersten Prager Erzbischof ge-
schrieben und gemalt wurde. Jedenfalls ist es erst nach dem Jahre 1356 entstanden.

Etwas anders ist der Sachverhalt bei der zweiten, dem Erzbischof zugeschriebenen Handschrift,
die man als das Orationale Arnesti bezeichnet. Es ist ein Sammelcodex, welcher Gebete und Medi-
tationen des Bernhard, Anselm, Ambros, die Orationes Urbani papae super horas canonicas, Augustins
Soliloquia und De manuali verbo dei, dann eine andere kurze Schrift des Konrad von Haimburg: das
Sertum beatae Mariae virginis, enthält. Auf dem vorderen Vorsteckblatte notirte eine Hand aus dem
Ende des XIV. oder Anfang des XV. Jahrhunderts, dass die Handschrift dem Augustinerkloster in Glatz
gehörte. Auf derselben Seite folgt dann von derselben Hand ein Inhaltsverzeichnis und an dessen
Schlüsse steht in grossen Majuskellettern: »Orationale domini Arnesti archiepiscopi Pragensis.« Auf
fol. 104 ist in einer illuminirten Initiale C ein knieender Bischof dargestellt, zu dessen Füssen das
Wappen des Ernst von Pardubitz. Das Augustinerchorherrenstift in Glatz war eine Gründung des
Ernst, sein Lieblingskloster, in welchem er auch begraben wurde.4 Es liegt die Vermuthung nahe, dass
die mit dem Wappen des Erzbischofs und seinem Bildnisse geschmückte Handschrift ein Geschenk des
Letzteren an das Kloster gewesen ist. In analoger Weise schenkten Johann von Drazic und Ernst selbst
einmal mit Porträt und Wappen, dann nur mit Wappen geschmückte Codices dem Raudnitzer Kloster.

In dieser Zeit — in den Jahren 1358—1364 — bestellte man das Geschenk bereits in der neuen
Werkstatt. Das Orationale ist übrigens eine einfache Handschrift, welche der Ausstattung nach mit
den Hauptstücken der Gruppe nicht verglichen werden kann.

Ueber die Provenienz der letzten Handschrift, welche ebenfalls nur einfach ist, liess sich nichts
Bestimmtes eruiren. Von Belang wäre nur, dass das Missale für eine Kirche in Olmütz oder in der
Olmützer Diöcese bestimmt gewesen ist.

1 Vgl. die Vorrede in Balbins Vita venerabilis Arnesti (Prag 1664) und den Bericht über die Auffindung des Mariale
in demselben Buche, S. 396 ff.

2 Friedjung vermuthet den Ursprung des Tractates in Belgien oder Nordfrankreich, wozu ihn wohl die Bemerkung
Balbins veranlasste, dass sich andere Handschriften desselben Inhaltes in belgischen Bibliotheken befinden. Mir scheint ein
Zusammenhang mit der Franciscanermystik vorzuliegen; es ist der Geist Bonaventuras, der aus dem Buche spricht.

3 Vgl. Dreves, Konrad von Haimburg, S. 7 ff.

4 Man verehrte ihn in Glatz als einen Heiligen und die dortigen Mönche verfassten eine Vita Arnesti.
 
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