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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Modern, Heinrich: Geweihte Schwerter und Hüte in den kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0134
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Heinrich Modern.

Zwei Ursachen haben dazu beigetragen, die Geschichte dieser Institution zu verdunkeln: die be-
ständige Verwechslung dieser mit anderen, verwandten, älteren Ursprungs und politische Erwägungen.
Die Gelegenheit, auf erstere einzugehen, wird sich noch ergeben. Vorerst sei die zweite Ursache mit
einigen Worten gestreift. Sixtus IV. (1471—1484), der erste Papst aus dem Hause Rovere, hat, wie
manche andere päpstliche Ceremonien, auch diese in bestimmte Formen gebracht und eine Ansprache
bei der Ueberreichung dieser Geschenke angeordnet, die eine alte Streitfrage, die Theorie der beiden
Schwerter, die Bonifacius VIII. durch die Bulle »Unam sanctam« hervorgerufen hatte, insbesondere
durch die Worte neubelebte: »Figurat denique pontificalis hic gladius potestatem summam temporalem
a Christo pontifici, ejus in terris vicario, collatam juxta illud: Data est mihi omnis potestas in coelo
et in terra etc.«

Theophilus Raynaudus behauptet, dass der Beginn dieser Ceremonien in die apostolische Zeit
zurückzuverlegen ist.1 Der gelehrte Herausgeber der »Acta conciliorum«, J. D. Mansi, dagegen will
die Verleihung des geweihten Schwertes in der hier zu besprechenden Ritualform auf Sixtus IV. zurück-
führen.2 Wenn Raynaudus den Sleidanus als Ketzer brandmarkt, weil er mit Einschränkung dieselbe
Behauptung aufstellt wie zwei Jahrhunderte später der strenggläubige und hochgelehrte Mansi, so
mag aus diesem einen Beispiele entnommen werden, wie trübend der kirchenpolitische Standpunkt
auch auf die Geschichte dieser Institution eingewirkt hat.3

Prüfen wir die alten Ceremonialbücher der römischen Kirche, wie sie Mabillon (Musei Italici
tom. II), fünfzehn an der Zahl, veröffentlicht hat, insbesondere jene »Ordines romani«, in welchen die
Ceremonien der heiligen Nacht ausführlich geschildert werden, so finden wir weder im Ordo XI des
Benedictus (cap. 14—24), der vor 1143 entstanden ist (die Dedication richtet sich an Guido de Castello,
Cardinal S. Marci, der 1143 als Cölestin II. den päpstlichen Stuhl bestiegen hat), noch im Ordo XII des
Cencius Sabellus (cap. 2 f.), nachmals Papst Honorius III. (also vor 1216 entstanden), noch im Ordo
XIII (cap. i4ff.), herausgegeben auf Anordnung Gregors X. (1271—1276), von der Schwertweihe auch
nur eine Spur. Dagegen wird mehrfach von gelehrten Theologen, wie Eduard Martene (a. a. O., p. 84),
Josef Catalani (Pontificale, tom. III, c. VI, p. 387, wörtlich nach Martene), Gaetano Moroni (a. a. O.,
tom. LXX, p. 44), und nach ihnen von Lessing, Müntz u. a. behauptet, dass im Ordo Romanus XIV
des Cardinais Jacobus Gaetanus Stefaneschi4 (f 1343) die Weihe von Schwert und Hut am heiligen
Abend bereits dargestellt ist. Das ist nun völlig unrichtig, wie gleich gezeigt werden wird.

Im Ordo Romanus XV des Petrus Amelius finden wir die erste Erwähnung dieser kirchlichen
Ceremonie und deren Schilderung,5 aber auch hier nur deren Anfänge. Die Ceremonie ist auf den
Fall beschränkt, dass in der heiligen Nacht der Kaiser oder ein König sich in Rom aufhalten sollte.
Petrus Amelius, Erzbischof von Tarent, Patriarch von Grado und Alexandrien, hat diesen Ordo
Romanus nach dem Jahre 1397 abgefasst; denn er beginnt das 165. Capitel »Nota de Nativitate Christi
bene« mit den Worten: »Anno Domini i3g8 (i3g7 unserer Zählung) in Urbe dominus Bonifacius
papa IX. die Lunae in vigilia Nativitatis Christi incoepit infirmari.« Aus der kritischen Schilderung
der Ceremonien der heiligen Nacht und der folgenden Festtage im Jahre i3g7 ergibt sich, dass die
Schwert- und Hutweihe (in Abwesenheit des Papstes) nicht vorgenommen wurde. Unter den cele-
brirenden kirchlichen Würdenträgern erwähnt sich Petrus Amelius in dritter Person.

1 a. a. O.: »Non est cur initium referatur ad Apostolicum tempus«; allerdings an anderem Orte vorsichtiger: »Quam
antiquus sit ritus nescio.«

2 Raynaldi Odorici Annales ecclesiastici, accedunt notae chronologicae etc. auctore J. D. Mansi, tom. XXIX ad 1459,
p. 198 f.: »Denique sub Sixto IV., ut vidimus ex Patritio, solemnes institutae preces, lustralis aqua aspersa, ac pontifex sacris
vestibus indutus rem profanam in sacram ceremoniam transformarunt.«

3 Sleidanus, a. a. O., lib. X, p. 294.

4 Vgl. über diesen gelehrten Cardinal, der sich auch als Dichter nach classischen Mustern hervorthat, Gregorovius F.,
Geschichte der Stadt Rom, Stuttgart 1865, V. Bd., S. 615 f. Jacobus Gaetanus und Gaetanus Stefaneschi sind eine und die-
selbe Person; was also im Rituale des Cardinais Gaetanus nicht steht, steht auch nicht »im Rituale des Cardinais Stefa-
neschi«.

5 Caput VIII: De lectionibus legendis; cap. IX: De prima missa Nativitatis Domini; vgl. Mabillon, a. a. O., p. 450—452.
 
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