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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
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Modern, Heinrich: Geweihte Schwerter und Hüte in den kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0135
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Geweihte Schwerter und Hüte in den kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses.

In der reichen Bibliothek des mehrmaligen Papstcandidaten Cardinais Guillaume d'Estouteville,1
Erzbischofs von Rouen, befand sich auch eine Handschrift des Ordo Romanus XV des Petrus Amelius.
Aus dieser Handschrift wurden neue Ceremonialvorschriften, die Jacobus Gaetanus noch nicht kannte,
in eine Handschrift des Ordo XIV des Gaetanus als Randglossen eingetragen. Diese Handschrift des
Ordo des Gaetanus mit den Randbemerkungen aus Amelius besass der Rechtshistoriker und Archäolog
Giustino Ciampini (f 1698), welcher sie Mabillon zur Veröffentlichung übergab. Mabillon Hess nun
den Ordo XIV des Gaetanus mit den Zusätzen aus Amelius drucken, kennzeichnete aber diese
Zusätze stets mit einer besonderen Aufschrift, wie z. B.: »Ex ceremoniali antiquo domini Rotomagensis
de Stoutavilla.« Eine ähnliche Aufschrift finden wir insbesondere bei dem Capitel 67: »De Missa
noctis Natalis Domini.« Nach der Darstellung der Ceremonien durch Gaetanus heisst es: »In cere-
moniali Domini Rotomagensis de Stoutavilla habetur ut legitur«; es folgt nun der zweite Absatz aus
Amelius' Cap. IX: De prima Missa Nativitatis Domini, hierauf die Schwert- und Hutweihe (mit einer
Wortumstellung, einem Abschreibfehler und einer Verbesserung eines Schreibfehlers) wörtlich aus
Amelius und schliesslich der dritte Absatz aus dessen Cap. IX. Mabillon hat in der Einleitung zum
Ordo des Gaetanus und in einer Fussnote p. 324 diesen Sachverhalt klargelegt. Es ist also ein arges
Versehen, wenn behauptet wird, dass die Schwert- und Hutweihe bereits im Ordo XIV. enthalten sei.
Die Berufung auf Mabillon ist nur geeignet, diese Unrichtigkeit aufzuklären.

Eine wesentliche Neuerung des Ceremoniels der Weihnachtsfeier finden wir aber im Ordo des
Gaetanus Stefaneschi. In den Matutinen liest die fünfte Lectio auch damals schon ein Laie: »lectionem
quintam legit aliquis judex vel septimanarius«2 (a. a. O., p. 324), eine Bestimmung, die die
Schwert- und Hutweihe zu dieser Zeit geradezu ausschliesst.

Das Ergebnis dieser Untersuchung ist vorläufig, dass diese Ceremonie in ihren ersten Anfängen
in die Zeit zwischen 1343 und i3g7 zu verweisen ist, dass vielcitirte Beispiele früherer Verleihungen
auf unhaltbaren Legenden, Irrthümern und Fälschungen beruhen. Die archivalischen Forschungen
Eugene Müntz' bestätigen zum Theile dieses eben gewonnene Resultat.3 Müntz hat im päpstlichen
Geheimarchiv in den Registern »Introitus et exitus camerae Apostolicae« schon unter dem 6. und
10. Jänner i366 die Eintragung der Ausgaben für Schwert und Hut gefunden, die Papst Urban V. am
»eben« verflossenen Weihnachtsfeste in den Matutinen vom 24. December 1365 dem Herzog (Ludwig)
von Anjou, welcher die 5. Lectio las, verliehen hatte. Durch diese Urkunden ist sichergestellt, dass nicht
erst Urban VI. der Urheber dieser Ceremonie sein kann, wie vielfach behauptet wurde, noch weniger
Sixtus IV. Ich komme im nächsten Capitel auf diesen Punkt noch zurück und werde in der Lage sein,
die Entstehung der Schwert- und Hutweihe noch enger zu begrenzen und den Urheber dieses feier-
lichen Actes zu benennen.

II. Die Ceremonien der Schwert- und Hutweihe.

Im Ordo Romanus des Petrus Amelius wird die Ceremonie folgendermassen beschrieben: »No-
tandum etiam quod imperator vel rex, si sit in curia hac nocte de sero, clericus capellae portat sibi
librum legendarum, in quo debet legere quintam lectionem; et eum honeste instruit de cere-

1 Guillaume d'Estouteville (f 22. Jänner 1483) war ein hochherziger Kunstfreund. Das Inventar seines Nachlasses
(mit Schätzwerten) von grösstem Interesse bei Müntz E., Les arts ä la cour des papes III, 285 f. Oberwähnte Handschrift
ist im Bücher- und Handschriftenverzeichnisse nicht ausdrücklich erwähnt oder wenigstens nach den Titeln nicht bestimm-
bar. Es sind auch Sammelbände kurz aufgenommen.

= Die iudices wurden vom römischen Stadtpräfecten ernannt; vgl. Gregorovius, a. a. O. V, 21. Die septimanarii waren
Handwerker, die, wöchentlich gewählt, eine Art Ortspolizei auf die Dauer einer Woche ausübten. An ihre Stelle treten im
Ordo des Amelius der Kaiser und ein König, in späterer Zeit auch Fürsten etc. War kein so vornehmer Herr zur Weih-
nachtsfeier in Rom anwesend, so las die fünfte Lectio ein Cardinal, die neunte stets der Papst, wenn er anwesend war.

3 Seit mehr als zwei Decennien beschäftigt sich Eugene Müntz mit den von den Päpsten verliehenen geweihten Degen
und Hüten; er hat in verschiedenen Werken aus den päpstlichen Archiven reiches Urkundenmaterial zusammengestellt
und in mehreren Artikeln sein Material kritisch verwertet, als: Müntz Eugene, Les arts ä la cour des Papes, Paris, Thorin

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