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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Egger, Hermann: Entwürfe Baldassare Peruzzis für den Einzug Karls V. in Rom: Eine Studie zur Frage über die Echtheit des sienesischen Skizzenbuches
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0026
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20

Hermann Egger.

Fol. 3' — a) Liegende Gestalt eines nackten Mannes mit Bart und herabwallenden Locken (A).

Aeusserst flüchtig skizziert, so dass ebenso ein Christus aus einer Pietä (vgl. besonders die des
Sebastiano del Piombo im Mus. Municipale von Viterbo) als auch ein lebloser Mensch von einem
Prometheussarkophage die Vorlage dazu gebildet haben kann.

b) Zwei sich balgende Putti (A).

Die Augen und der Contour des Körpers des rechten Putto von fremder Hand mit einer dunkleren
Sepia nachgezogen.

c) Sitzende Gewandstatue im Typus der vaticanischen »Kalliope« (A).

Auf einem Stuhle sitzend, stützt sie den rechten Ellenbogen im Gestus des Erzählens auf die
übereinandergeschlagenen Beine. Der Kopf und der rechte Fuss sind abgebrochen, wie auch die
Unsicherheit in der Strichführung im rechten Unterarme auf eine Ergänzung seitens des Anonymus A
schliessen lässt; am ähnlichsten noch mit dem Madrider Exemplar n. 472, Hübner n. 55.

Fol. 4 — Skizze zu einer Gelegenheitsdecoration (A) (Fig. 15).

Unter einem von zwei korinthischen Säulen getragenen Gebälke wird das bourbonische Wappen
von zwei schwebenden, geflügelten Engeln gehalten. Darunter sitzt eine weibliche Figur, zwei Füll-
hörner ausgiessend, durch die Inschrift an der Basis ihres Thrones als »liberalitas« gekennzeichnet; zu
ihren Füssen ein Putto. Links von ihr eine stehende weibliche Figur »vitoria« mit einem Palmen-
zweig in der Rechten, rechts eine geflügelte Figur »fama«, im Gegensatz zu den anderen unbekleidet.
In der ganzen Anordnung erinnert diese Zeichnung sogleich an ein in den Uffizien aufbewahrtes
Blatt (Fig. 16), daselbst als fragliche Peruzzizeichnung ausgestellt, welches jedoch schon auf Grund der
Schriftzüge »parnassos, muse« als echt angesehen werden darf.

Es verdankt seine Entstehung der feierlichen Possessio Leos X. am 11. April 1513, bei welcher
Gelegenheit sich neben anderen speciell zwei Auftraggeber Peruzzis, nämlich Agostino Chigi und
Fernando Ponzetti, durch prunkvolle Triumphbögen auszeichneten. Wenn sich auch in den uns über-
lieferten ausführlichen Beschreibungen der Possessio1 eine auf die Darstellung von Uff. n. 72 sich be-
ziehende Stelle nicht nachweisen lässt, so finden sich doch an den Bögen der Obgenannten wie an
denen anderer Details beschrieben, die sowohl auf Uff. n. 72 als auch auf fol. 4 des Skizzenbuches vor-
kommen: »due colonne sopra delle quäle era uno architrave un fregio con un cornicione«, im Fries die
Inschrift »a lettere di oro LEO X. P. M.«2; weiters zwischen den Säulen »Arme et Insignia Pontificia«,
ein Löwe mit einer »palla«3, die Figur einer »liberalitas«4, Genien mit Füllhörnern »corno di dovitia«5
und »uno Angelo con una palma in mano«6.

Die Zeichnung Uff. n. 72 wäre daher als eine Originalskizze Peruzzis zur Decoration einer Wand-
fläche anlässlich der Possessio Leos X., fol. 4 des Skizzenbuches hingegen als die Copie des Anonymus A
nach einem ähnlichen, Uff. n. 72 nahestehenden Entwürfe Baldassares anzusehen.

Fol. 4' — Kopf einer Löwin und eines Elephanten (B).

Von einem bacchischen Relief (Indischer Triumph); darüber lässt ein rechteckiger Kleisterstreifen
noch jetzt die Grösse eines verlorengegangenen, aufgeklebten Blattes erkennen, über das jedoch schon
der Anonymus B gezeichnet hat.

Fol. 5 ■— a) Sitzende Madonna, deren Mantel über den Kopf geschlagen ist (A).

Mit beiden Händen hält sie das auf ihrem rechten Knie aufsitzende Bambino, dessen Mund und
Nase wie auch bei der Mutter von einer Dilettanlenhand nachgefahren und ungeschickter Weise ver-
zeichnet wurden.

b) Knieende Amazone (A) (Fig. 18).

Es ist dieselbe, welche auf fol. 47 (60) des I. Bandes des Marten van Heemskerck im k. Kupferstich-
cabinet zu Berlin (Fig. 17) in einem Garten mit zahlreichen Antiken gezeichnet ist, jedoch ohne

1 Fr. Cancellieri, a. a. O., p. 66 ff. 2 Id., a. a. O., p. 72 und 78. 3 Id., a. a. O., p. 60.

4 Id., a. a. O., p. 73. 5 Id., a. a. O., p. 75. 6 Id., a. a. 0., p. 81.
 
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