Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0107
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das holländische Gruppenporträt.

IOI

Fig. 14. Schützenstück des Dirk Jacobsz vom Jahre 1529-
Amsterdam, Rijksmuseum.

Sichaneignens ihre vollkommene physische Unthätigkeit und zu gleicher Zeit ihr absolutes Aufgehen
in der rein psychischen Lebensäusserung der Aufmerksamkeit. Man könnte daher diese Action als eine
negative, als ein Zeugnis der Nichtactivität bezeichnen. Soweit wirkliche Handlungen im Bilde vor-
kommen, sind sie symbolisch gemeint und bezwecken die Versinnlichung des Bestehens einer engen
Gemeinschaft unter den siebzehn Porträtierten auf Grund des »Gemeinsinnes«. Diese Auffassung kenn-
zeichnet, wie sich zeigen wird, die ganze erste Periode, die man darum auch die symbolistische nennen
könnte. Sie erfordert daher einige Worte zur Aufklärung ihrer Bedeutung innerhalb der Entwicklung.

Der Symbolismus fordert den Beschauer auf, der mit solchen Attributen ausgestatteten Figur
bestimmte abstracte Eigenschaften (im vorliegenden Falle diejenige des Gemeinsinnes) beizulegen.
Unserer modernen Auffassung stünde eine andere Art der Darstellung näher, die uns die Schützen in
irgend einer zufällig momentanen Bethätigung ihres Gemeinsinnes zeigen würde: sei es also ein Genre-
bild, sei es ein genremässig aufgefasstes Historienbild. Hinter dieser Auffassung steht die symbolistische
allerdings in der Entwicklung zurück; dagegen bedeutet sie einen Fortschritt über die niederländische
Historienmalerei des XV. Jahrhunderts hinaus. Zum Beweise dessen braucht man sich blos des Bildes
von Geertgen mit seinem unvereinbaren Dualismus von Handelnden und Zuschauern zu erinnern, wo-
gegen nun jeder Schütze durch das Medium des betrachtenden Subjectes in ein deutliches Verhältnis
nicht blos zu diesem sondern auch zur Gesammtheit gebracht erscheint. Zugleich lag aber im Symbo-
lismus der Keim zum Genremässigen enthalten' und wir werden die Entfaltung dieses Keimes noch
schrittweise zu verfolgen haben. Hienach erscheint der Symbolismus des XVI. Jahrhunderts in der
Gruppenporträtmalerei als eine nothwendige Zwischenstufe der Entwicklung zwischen dem XV. und
XVII. Jahrhundert.

Bei Dirk Jacobsz zeigt nun der Symbolismus gegenüber der bei Scorel beobachteten Stufe zwei
bemerkenswerthe Fortschritte: 1. die Häufung von Symbolen (gegenüber ihrer Beschränkung bei Scorel),
die sich zugleich als Häufung von Einzelhandlungen verräth; 2. die Einführung einer Subordination
durch Betonung eines beherrschenden Commandanten (Capitäns). Handlung und Subordination sind aber
italienische Auffassungsmotive und es zeigt sich da, dass nicht allein der in Italien gewesene Utrechter
 
Annotationen