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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0123
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Das holländische Gruppenporträt.

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Fig. 17. Schützenstück des Dirk Jacobsz vom Jahre 1532.
St. Petersburg, Ermitage.

unteren Ecken blicken schräg vor sich heraus, was schon 1529 bei dem Schützen in der linken Ecke
unten zu beobachten gewesen war. Die gezwungenen Zickzackbewegungen von 1529 (z. B. Rumpf
links, Kopf rechts, Augen geradeaus), die Teunissen bereits durchaus vermieden und durch einheit-
liche Richtung von Blick und Kopf ersetzt hatte, sehen wir in diesem Bilde noch mehrfach, besonders
auffallend am Geharnischten in der Mitte, wiederkehren.

Den gemüthvollen Ausdruck, der den Köpfen von 1529 in so hohem Maasse eigen ist, wird man
an den Figuren von 1532 allerdings um etwas vermindert finden. Einzelne Köpfe wirken zwar auch
hier höchst eindringlich, wie z. B. der zweite von rechts in der mittleren Reihe oder der Schütze links
Von der Mitte in der untersten Reihe. Aber die Köpfe sind im Ganzen viel zu sehr nach vorne gerückt,
allzu schlagend-greifbar dem Beschauer entgegengeschoben, um so gemüthlich-stimmungsvoll wirken
zu können wie die Köpfe der zurückgerückten oberen Reihe im Bilde von 1529. Aus dem Umstände,
dass hienach selbst Dirk Jacobsz allmälig der stärkeren Verräumlichung der Figuren durch kräftigere
Ausladung Rechnung tragen zu müssen glaubte, ergibt sich abermals der schon vorhin gezogene Schluss,
dass die damalige Entwicklung in den Niederlanden zunächst in italienischem Sinne auf eine Verräum-
lichung der Figurenkörper und nicht im nordischen Sinne auf eine solche des Freiraums dazwischen,
auf äussere physische und weniger auf innere psychische Belebung gerichtet war. Das Porträt konnte
dabei einerseits verlieren, anderseits gewinnen: bei Dirk Jacobsz glauben wir eher einen Verlust wahr-
zunehmen.

Die Composition weist gegenüber derjenigen von 1529 als auffallendsten Unterschied den Um-
stand auf, dass diesmal die Figuren ins Freie gesetzt erscheinen. Die Frage, warum sich Dirk Jacobsz
zu dieser Aenderung entschlossen, lässt sich natürlich nicht mit Sicherheit beantworten. Er konnte
dazu durch einen äusseren Zwang veranlasst worden sein; aber es ist auch denkbar, dass das Be-
 
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