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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 23.1902

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I. Theil: Abhandlungen
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Riegl, Alois: Das holländische Gruppenporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5950#0135
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Das holländische Gruppenporträt. 129

horizontalen Reihen angeordnet, wovon nur die unterste ein betontes Centrum aufweist. Auffallend
'st die Häufung der symbolischen Objecte in den Händen der Schützen; einer derselben hält einen
Zettel mit der Aufschrift Synse also, welche Worte nach freundlicher Mittheilung des Herrn E. W.
Moes vermuthlich den Anfang eines Liedes bildeten und zur Erklärung des Bildes nichts beitragen.
Die Tendenz lief jetzt offenbar darauf hinaus, womöglich jedem Schützen irgend einen symbolischen
Gegenstand in die Hand zu geben: schon das Bild von 1557 Hess dies deutlich merken und 1559 er-
reicht diese Richtung den Höhepunkt. Das Resultat war einerseits zweifellos eine Steigerung des sym-
bolistischen Charakters, der nun gar nicht mehr übersehen werden konnte und im Sinne der Verein-
heitlichung wirkte; anderseits aber eine äusserste Zersplitterung und Verselbständigung der einzelnen
Figuren gegeneinander, was fühlbar gegen den Charakter der Einheit des Ganzen stritt. Die schon seit
*554 beobachtete Tendenz auf Steigerung der Gegensätze erreicht damit gewissermaassen ihren Höhe-
Punkt. Was aber die Composition betrifft, so ist hier der Hintergrund als Landschaft gegeben, die
sich im Charakter derjenigen des Bildes von 1554 anschliesst und mit einem darin sprengenden
St. Georg in den Symbolismus einbezogen erscheint; denn dies sollte nichts anderes sein als eine An-
spielung darauf, dass die Rotte zum St. Jorisdoelen gehörte. Es verräth sich somit in diesem Bilde im
allgemeinen das gleiche Kunstwollen wie im vorigen; der gesteigerte innere Widerspruch lässt den
modernen Beschauer sich noch weniger dafür erwärmen als für das Bild von 1557.

Wo man in der Kunstgeschichte einer Steigerung von Gegensätzen in den Motiven der Auffassung
und in der Wahl der Mittel begegnet, dort darf man auch stets sicher sein, dass man der Lösung eines
neuen Problems entgegengeht; denn jede solche Lösung bedeutet nichts anderes als den Ausgleich
vorangegangener Conflicte. So haben auch in der Entwicklung des holländischen Gruppenporträts die
Sechzigerjahre des XVI. Jahrhunderts eine Lösung der Widersprüche gebracht, die uns in den Bildern
der Fünfzigerjahre so störend entgegengetreten waren. So viel wir sehen, sind zwei Meister an der
Lösung dieses Zeitproblems betheiligt gewesen; als den eigentlichen Pfadfinder werden wir aber den-
jenigen von beiden zu betrachten haben, der nachweislich früher, wenn auch noch etwas minder voll-
kommen, seine Lösung zu Stande gebracht hat, und dies war niemand anderer als der Bahnbrecher der
ganzen neuen Gattung überhaupt: Dirk Jacobsz.

Nach van Manders Zeugnis ist der Meister erst im Jahre 1567 verstorben. Aus den Jahren 1561 Die schützcn-
und 1563 besitzen wir nun zwei Gruppenporträte, beidemale der Rotte E der Kloveniere. Schaep hat stücke des Dirk

r Jacobsz aus der

sie 1653 noch zu einem Stück zusammengefügt gesehen; gegenwärtig befindet sich dasjenige von 1561 zweiten Hälfte
in der St. Petersburger Ermitage, das spätere im Rijksmuseum. Schaep hat zwar die Jahreszahl 1561 auf bo^istfectenTe-
beide Bilder bezogen; aber die Unwahrscheinlichkeit, dass der Meister zweimal in einem und dem- riodc-
selben Jahre dieselbe Rotte mit verschiedener Mitgliederzahl und wohl auch verschiedenen Köpfen
gemalt haben sollte, hat schon Dr. Six mit Recht betont. Wiewohl die Inschriftzettel auf beiden Bildern
restauriert sind, so besteht kein Grund, an der Richtigkeit der heute darauf zu lesenden Jahreszahlen zu
zweifeln. Dass Dirk Jacobsz der Maler war, lehrt seine Signatur, die hier noch immer dieselbe ist wie
auf den Bildern von 1529 und 1532.

Bevor wir in eine Betrachtung der Bilder von 1561 und 1563 eingehen, sei mit wenigen Worten
der sich aufdrängenden Frage gedacht, ob denn Dirk Jacobsz nicht auch in der Zwischenzeit Gruppen-
porträte gemalt und hinterlassen habe. Das Erstere ist natürlich möglich, wenn auch nirgends aus-
drücklich bezeugt;, auch das Letztere darf nicht schlankweg verneint werden, wiewohl eine volle
Sicherheit dabei nicht zu erzielen ist. Erstlich glaubt Dr. Six (Oud Holland XIII, 95) ein Schützenstück
der Kloveniersrotte B vom Jahre 1556 mit 16 Figuren, das sich auf dem Archivboden des Rathhauses
befindet, für Dirk Jacobsz ansprechen zu sollen, wiewohl er gesteht, dass der »allertraurigste« Zustand
seiner Erhaltung und die ungünstige Stelle, an der es aufgehängt ist, -— hoch über einer Treppe zu-
nächst einem Fenster — ein Urtheil kaum zulässt. Was Dr. Six davon sehen konnte, gab ihm die
Ueberzeugung, dass es schwächer sei als die Bilder der ersten Periode, mit denen es sich weder in
Composition noch in Behandlung vergleichen lasse. Die Figuren stehen darauf noch immer in zwei
Reihen und der Hintergrund sei keine Landschaft. Diese Angaben über das Bild, das mir nicht zu

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