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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Glück, Gustav: Aus Rubens' Zeit und Schule: Bemerkungen zu einigen Gemälden der kaiserlichen Galerie in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0008
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Gustav Glück.

dazu kommt, daß die genaue Angabe der Maße die Identifikation noch erleichtert. Während man bei
älteren, besonders italienischen Inventaren von Kunstsammlungen nur selten die Namen der Künstler
findet, sehen wir hier das hervorragende Interesse an der Persönlichkeit der Künstler dadurch aus-
gedrückt, daß ihre Namen so genau angegeben sind, als es der Kenntnis der Verfasser des Inventars
möglich gewesen ist. Es ist selbstverständlich, daß die Angaben nicht in allen Teilen des Verzeich-
nisses von gleichem Werte sein können. Für die Gemälde aus dem XV. und XVI. Jahrhunderte
wird man sie mit Vorsicht benutzen müssen. Mögen sie auch hier manchmal auf guter alter Uber-
lieferung beruhen, so ist ihnen doch selten ganz zu trauen, weil in den meisten Fällen die Be-
stimmungen der Händler und der früheren Besitzer beibehalten worden sind. Anders liegt die Sache
bei den Kunstwerken des XVII. Jahrhunderts, die kurz vor der Abfassung des Inventars entstanden
sind. Je näher man gegen das Datum 1659 heranrückt, desto zuverlässiger werden die Angaben sein.
Ebenso wie dieser zeitliche Unterschied muß auch ein örtlicher beobachtet werden. Je näher der
Ort der Entstehung der einzelnen Kunstwerke den Residenzen des Erzherzogs, also den südlichen
Niederlanden und Deutschland, rückt, desto mehr Vertrauen erwecken die Mitteilungen von Künstler-
namen. Freilich sind dabei auch manche Angaben über italienische Künstler des XVII. Jahrhunderts
als wertvoll zu bezeichnen, wovon Franz Wickhoff in seiner Abhandlung über «Sacchis Restaura-
tion der sterbenden Mutter des Aristides» (Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen XIX, 1898,
S. 344) einige Beispiele aufgezeigt hat; der Erzherzog hatte eben auch in Italien verläßliche Agen-
ten, die die Gemälde entweder von den Künstlern selbst oder aus guten Quellen erwarben. Doch
liegt auf jeden Fall der hauptsächlichste Wert des Inventars in seinen Mitteilungen über die vlämischen
Künstler des XVII. Jahrhunderts. Der Erzherzog hat nicht umsonst fast ein volles Jahrzehnt in Brüssel
verbracht und hier eine Reihe von Aufträgen an Brüssler und Antwerpner Maler erteilt. Der vlämische
Maler, Hofkaplan des Erzherzogs und Kanonikus Jan Anton Van der Baren, der die Stellung eines
Galeriedirektors seit der Übersiedlung des Erzherzogs nach Wien bekleidete und noch im Jahre 1675
als kaiserlicher Galerieinspektor erwähnt wird (K. Schalk, Wiener Kommunal-Kalender 189g, S. 445),
unterzeichnete neben drei administrativen Beamten, denen man kaum einen Einfluß auf die Künstler-
bestimmungen zuschreiben kann, das Inventar von 1659. Van der Baren, der seine künstlerische Aus-
bildung jedenfalls in den Niederlanden, wahrscheinlich in Antwerpen und unter dem Einflüsse des be-
rühmten Blumenmalers Daniel Seghers, der ebenfalls Geistlicher war, erhalten hat, war sicherlich mit
den meisten vlämischen Künstlern, deren Werke der Erzherzog erwarb, persönlich bekannt und die
Geschichte dieser Erwerbungen hatte er zur Zeit der Abfassung des Inventars noch gut in Erinnerung.
Man wird daher in seine Angaben das größte Vertrauen setzen dürfen. Nur in seltenen Fällen kann
man einen Irrtum oder eine Verschreibung annehmen. Eduard von Engerth hat dies in seinem beschrei-
benden Verzeichnisse der Galerie zu oft getan. Was soll man, um nur ein Beispiel zu nennen, dazu
sagen, wenn er ein Blumenstück (Nr. 1145, Engerth 1236) Daniel Seghers zuschreibt, obwohl er selbst
gefunden hat, daß es im Inventar von 1659 als Werk des Kanonikus Van der Baren verzeichnet steht?
Sollte denn wirklich Van der Baren seine eigenen Werke von denen seines vermutlichen Lehrers
Seghers nicht haben unterscheiden können? Untersucht man den Stil des Bildes selbst, so kommt man
zur sicheren Überzeugung, daß es nicht von Seghers, sondern in der Tat von Van der Baren herrührt.

Die Glaubwürdigkeit des Inventars würde dadurch ohne Zweifel noch erhöht, wenn es gelänge nach-
zuweisen, daß es auf ein älteres von Van der Barens Vorgänger in der Galeriedirektion, DavidTeniers
d. J., verfaßtes zurückgehen könnte. Für diese Annahme mag die folgende Tatsache sprechen: Auf
Teniers' gemalter Darstellung der Galerie Leopold Wilhelms in der Brüßler Galerie finden sich, was mir
bisher noch nicht bemerkt worden zu sein scheint, auf einer größeren Anzahl von Bildern Nummern
angegeben, die mit der einzigen Ausnahme eines Exemplars von Tizians Danae, das nie nach Wien
gekommen ist, bei denselben Bildern in unserem Inventar von 1659 wiederkehren. Daraus geht
fast mit Sicherheit hervor, daß Van der Baren bei der Abfassung des Inventars ein älteres, vielleicht von
Teniers herrührendes Verzeichnis benutzt hat. Denn wenn die Bilder schon in Brüssel numeriert und ver-
zeichnet worden sind, so wird das geschriebene Verzeichnis ihnen auch nach Wien gefolgt sein. Frei-
 
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