Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Glück, Gustav: Aus Rubens' Zeit und Schule: Bemerkungen zu einigen Gemälden der kaiserlichen Galerie in Wien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0042
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
36

Gustav Glück.

hat ja auch mit Seghers zusammengearbeitet und ist mit ihm wohl schon bei Gelegenheit der Ar-
beiten in der Antwerpner Jesuitenkirche in Berührung gekommen —, mußte der ganzen Kunstgattung
bald mehr Freiheit und Leichtigkeit geben. Dies zeigt sich schon in der Wahl der Stoffe der bild-
lichen Darstellungen: außer der Maria mit dem Kinde erscheinen nunmehr zwischen den Blumen auch
Christus segnend oder als Schmerzensmann, die heilige Familie, einzelne Heilige wie besonders die
Jesuitenheiligen Ignatius und Franz Xaver, kleinfigurige Heiligenlegenden, die Monstranze mit der
heiligen Hostie und anderes mehr. Bald bemächtigt sich aber auch die Profankunst dieses Zweiges
und umgibt mit solchem Blumenschmuck Büsten heidnischer Gottheiten wie etwa der Ceres, allego-
rische Gegenstände wie die fünf Sinne, Landschaften und ähnliches. Endlich werden auch Bildnisse in
die reizvolle Blumenumrahmung gesetzt, und zwar nicht, wie man nach unserem heutigen Geschmacke
denken sollte, nur weibliche, sondern gerade besonders häufig männliche, freilich meist solche von
hervorragenden Persönlichkeiten. Die bildlichen Darstellungen sind bald farbig, bald stellen sie Statuen,
Büsten und Reliefs in Marmor vor und sind daher grau in Grau gemalt; auch Bronze- und vergoldete
Skulpturen werden bisweilen wiedergegeben.

Wie sehr die neue Kunstgattung der Mode ihrer Zeit entsprach, sieht man daraus, daß Erzherzog
Leopold Wilhelm in seine Sammlung eine große Menge von Werken dieser Art aufnahm, für die er
offenbar eine ganz besondere Vorliebe hatte. Die Blumen waren in diesen Stücken von den berühm-
testen Meistern seiner Zeit gemalt, von Daniel Seghers, Jan Davidsz De Heem, Jan Philips Van Thielen,
Frans Ykens, Jan Anton Van der Baren, Jan Brueghel dem Jüngeren, Mario dai Fiori und anderen
mehr, die Figuren meist von anderen Händen, wie es der Sitte der Arbeitsteilung, die für die vlämische
Kunst jener Tage sehr bezeichnend ist, entsprach. Ein Bildnis des Erzherzogs selbst, gemalt von Jan
Van den Hoecke, war umrahmt von einem prächtigen Blumenkranze von Daniel Seghers' Hand.1

Zu den zahlreichen Werken dieser Art, die aus Leopold Wilhelms Sammlung stammen und
heute noch in der kaiserlichen Galerie erhalten sind, gehört das Brustbild eines lächelnden Knaben,
umgeben von einem reichen Kranze von verschiedenen Blumen (Nr. 1278, Tafel IV). Dieses Werk er-
weckt schon dadurch unser besonderes Interesse, weil der Maler des Bildnisses und der der Blumen,
wie man auf den ersten Blick sieht, zwei verschiedenen Schulen angehören, der eine der holländischen,
der andere der vlämischen, und weil trotzdem das Ganze den Eindruck des zu harmonischer Einheit
Verbundenen macht. Betrachtet man das Bildnis selbst näher, so erkennt man mit Leichtigkeit die
Hand von Rembrandts Zeit- und Schulgenossen Jan Lievens. Auf ihn weisen die lebendige, frische
Auffassung und die trotz der Kleinheit des Formates breite Malweise hin und auch das Inventar von
Erzherzog Leopolds Kunstsammlungen nennt seinen Namen.2

Wer ist aber der Dargestellte? Daß ein bartloser junger Mensch, fast ein Kind, in die etwas
prätenziöse Blumenumrahmung gesetzt worden ist, ließe sich nur dann erklären, wenn es sich um ein
Fürstenkind oder das Söhnchen einer vornehmen reichen Familie handeln würde. Doch widerspräche
einer solchen Annahme die Tracht des Dargestellten, die keineswegs der Mode der damaligen vor-
nehmen Welt entspricht. Die schwarze Samtmütze, der schwarze, mit lichtem Pelz gefütterte Samt-
mantel und der schmale weiße Kragen scheinen vielmehr dafür zu sprechen, daß wir hier einen jungen
Maler vor uns haben. Das Inventar Erzherzog Leopold Wilhelms nennt nun in der Tat einen Namen,
der erst in unserem Jahrhundert und, wie ich glaube, sehr mit Unrecht in Vergessenheit geraten ist:
der Dargestellte wäre demnach kein Geringerer als Rembrandt.

Man darf sich wohl fragen, ob es billig ist, diese Angabe, die im Jahre 1659, also ein Jahrzehent
vor Rembrandts Tode, niedergeschrieben worden ist, ohne gewichtige Gegengründe zu bezweifeln.

1 «141. Ein Stuckh von Öhlfarb auf Khupffer, warin ihro hochfürstlichen Durchleucht Ertzherzoghen Leopoldi Wil-
helmi etc. Contrafait in Profil gemacht, welches mit drey Festonen von underschiedtlichen Blumen gezierth . . . Die Blumen
Original von Daniel Segers vnnd das Contrafait von Johann von Hoeckh.»

2 «62. Ein Contrafait von Öhlfarb auf Holcz des Rheinprandts mitt schwartzem Belcz vnndt Kappel auff dem Haubt
in einem Krancz von vnderschiedlichen Blumen. In einer schwartz glatten Ramen hoch 3 Span vnd 2 Span 8 Finger bräidt.
Das Contrafait Original von Lievens vnd die Blumen von von Eckh.»
 
Annotationen