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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0056
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Robert Stiassny.

Charakter der Stein- als der Holzarbeit, wie denn Leute beider Berufe in den Salzburger Handwerker-
büchern unter der Bezeichnung «scissor» zusammengefaßt werden.1

Während die Sepulkralskulptur in Salzburg erst gegen 1500 den Höhepunkt ihrer Ausbildung
erreichte, hatte die einheimische Malerschule ihn zu dieser Zeit bereits überschritten. Die Frühgotik
hatte eine Reihe glänzender Schöpfungen hervorgebracht, deren ideale Anmut und zarte Vollendung
man bis vor kurzem in einer beliebten Verwechslung von Zeit- mit Lokaleigenschaften als «alt-
kölnisch» rühmen hörte. Das Pähler Altärchen im Bayerischen Nationalmuseum, das aus dem Salz-
burger Kapuzinerkloster in das Klerikalseminar nach Freising gelangte Rauchenbergersche Votivbild,
die Miniaturen der Bibel von 1430 in der Münchener Staatsbibliothek, der Halleiner Altar im Museum
zu Salzburg sind die bekanntesten Beispiele. Die weiche Lyrik dieses Stiles klingt noch nach in zwei
Flügeltafeln aus Salzburg, jetzt im Bayerischen Nationalmuseum (Saal XIII, Nr. 11—13), und einer
Gruppe von Bildern der «Maria im Ahrenkleide». Daneben beginnt jedoch seit der Mitte des Jahr-
hunderts eine harte, provinzielle Manier, ein echt gebirgsbäuerischer Realismus um sich zu greifen. Mit
dieser Phase der Salzburger Malerei geht, wenn ich recht sehe, eine vielgenannte Tafel der kaiserl.
Galerie in Wien zusammen, die nach dem Verluste der Karlsteiner Bilder das älteste Monument deut-
scher Kunst in der Sammlung überhaupt ist: Pfennings Kreuzigungsgemälde aus dem Jahre 1449.

Datierte Namensunterschriften sind auf nordischen Werken des XV. Jahrhunderts so selten, daß
schon die ältere Literatur für das Wiener Bild und seinen sonst unbekannten Urheber sich interessierte.
Die Vermutung lag nahe und wurde öfters ausgesprochen, es sei in Wien selbst, jedenfalls in Oster-
reich gemalt worden. Einen triftigen Grund hierfür hat jedoch erst Robert Vischer beigebracht, indem
er auf den ikonographischen Zusammenhang der Tafel mit Darstellungen desselben Gegenstandes in
Altbayern und den österreichischen Alpenländern aufmerksam machte.2 Diese Beobachtung hat Henry
Thode sich entgehen lassen, als er Pfenning mit dem Meister des Tucherschen Altares in der Nürn-
berger Frauenkirche identifizierte.3 Unbeirrt durch die Zweifel, die von verschiedenen Seiten laut
geworden sind, hält der um die tiefere Schätzung deutschen Altertums so verdiente Forscher noch
heute an seiner schwer verständlichen Annahme fest und behandelt auch in seinen neuesten Ver-
öffentlichungen Pfenning als einen Vertreter der Nürnberger Kunst, als lebendige Gestalt des deutschen
Quatrocento.

Schon 1896, auf dem Kunsthistorikertage in Budapest, hatte ich Gelegenheit, der Behauptung
Thodes mit dem Nachweise der Provenienz des Wiener Gemäldes entgegenzutreten. Als Salzburg
1806 österreichisch wurde, sind aus der landesherrlichen Galerie in der Residenz, einer zu Beginn des
XVII. Jahrhunderts gegründeten Kunstkammer, eine größere Anzahl von Kunstgegenständen vor den
Franzosen nach Wien geflüchtet und den kaiserlichen Sammlungen einverleibt worden. Von Oktober
1806 bis November 1807 gingen die Fuhren nach Wien. Noch die letzte Sendung, die am 12. Novem-
ber 1807 abgefertigt wurde, enthielt unter zweiundzwanzig Kisten mit «Seltenheiten» sechs mit Ge-
mälden. Von vier dieser Bilderkisten ist in einigen Aktenstücken Seiner k. und k. Apostolischen Ma-
jestät Oberstkämmereramtes die Rede, die Ed. v. Engerth im III. Bande des «Beschreibenden Verzeich-
nisses» der kais. Gemäldegalerie auszugsweise mitteilte (S. 3o2 f., Nr. 332, 33g, 340). Neben Kostbarkeiten
hohen Ranges, wie der berühmten Erzstatue vom Helenenberge und einer Reihe im kaiserlichen Kunst-
besitze bisher nicht nachgewiesener Prachtgefäße aus Bergkristall, neben den wertvollen Codices und
Inkunabeln, mit denen die Hofbibliothek sich bereicherte, mochten die 56 Bilder dieses Salzburger
Zuwachses geringe Figur machen. Tatsächlich wanderten sie in das Depot des unteren Belvedere und
als später, in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts, eine Auswahl zur Auf-
stellung gelangte, war der Erwerbungsort vergessen. Im Salzburger Statthaltereiarchiv haben sich aber
verschiedene Originalinventare der fürsterzbischöflichen Sammlung erhalten, deren ältestes in das Jahr

1 Fr. Zillner, Geschichte der Stadt Salzburg II, 1890, S. 343; Steinhauser, Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger
Landeskunde 1884, S. 59 ff.

s Studien zur Kunstgeschichte, Stuttgart 1886, S. 477.

3 Die Malerschule von Nürnberg, Frankfurt a. M. 1891, S. 56 ff.
 
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