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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0057
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Altsalzburger Tafelbilder.

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1612 zurückgeht. Nach der Säkularisation des Erzstiftes im Jahre 1802 und dessen Besitznahme durch
den Großherzog Ferdinand von Toskana i8o3 verfaßte der Hofmaler und Galerieinspektor Andreas
Nesselthaler einen neuen Katalog, der wenigstens die siebzig Hauptbilder der sogenannten «Schönen
Galerie» etwas ausführlicher behandelt. Eine 1806 verfertigte Abschrift dieses Verzeichnisses fügt den
Bilderbeschreibungen die Schätzungspreise bei und macht die nach Wien gesandten Stücke durch einen
eigenen Vermerk kenntlich. Aus demselben Jahre datiert eine Ubergabsliste, die der Salzburger Hof-
bibliothekar und Schulendirektor Fr. Mich. Vierthaler im Auftrage der Wiener Regierung zusammen-
gestellt hatte.

Diese Verzeichnisse, die ein neues Quellengebiet der kaiserlichen Haussammlungen erschließen,
sind in den Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 1862, S. 191 ff., und 1872, S. 359,
von H. Riedl und Fr. Pirckmayer veröffentlicht, von den Wiener Galeriedirektionen aber übersehen
worden. Außer der Nachricht über den Salzburger Fundort der «Kreuzigung» Pfennings konnte ich
ihnen bei dem erwähnten Anlaß nur eine Angabe über die gleiche Bezugsstätte der Bilder des Mono-
grammisten R. F. in der kais. Galerie entnehmen. Unabhängig von mir ist im vorletzten Jahrgang
des genannten Salzburger Vereinsorganes (1901, S. 21 ff.) Dr. W. Sedlitzky der Frage nachgegangen
und hat in einer dankenswerten Ubersicht die Identität von 17 weiteren Gemälden festgestellt, die aus
Salzburg in das Hofmuseum gekommen sind. Galerieperlen befinden sich gerade keine unter diesem
Zugang, immerhin aber einige recht achtbare Nummern. Wir begegnen H. Baidung Grien mit
seiner «Eitelkeit» (Nr. 1423), Cranach d.Ae. mit seinem «Sündenfall» (Nr. 1459), Hans Vrede-
man de Vries mit einem Architekturstück (Nr. 726), van den Broeck mit zwei hervorragenden Still-
leben (Nr. 1373, 1375), Gaspard Poussin mit seiner kleinen heroischen Landschaft (Nr. 593). Um
eine Wiederholung des sogenannten Rabbiners von Govaert Flinck in der kais. Galerie (Nr. 1279)
handelt es sich offenbar bei einem in Salzburg als Original von Rembrandt ausgegebenen, gleichfalls
nach Wien gesandten männlichen Brustbilde.1 Ein in den Salzburger Verzeichnissen mehrmals er-
wähntes Gemälde: Hercules mit den stymphalischen Vögeln — es galt als Dürer und befand sich eine
Zeitlang im Schlosse Kiesheim — habe ich im Vorrat der Wiener Sammlung aufgefunden. Es ist eine
geringe Kopie des Dürerbildes von 1500 im Germanischen Museum zu Nürnberg. Inwieweit die übri-
gen, im Depot der kais. Galerie verbliebenen Bilder die zum Teil recht hoch klingenden Namen der
Salzburger Inventare rechtfertigen, entzieht sich meiner Kenntnis.

Die Liste Vierthalers registriert nun als Nr. 12 der nach Wien abgeführten «Gemälde aus der
Galerie»: Die Kreuzigung Christi, ein großes Gemälde aus der altdeutschen Schule vom
Jahre 1447. Trotz des irrigen Datums darf man in dieser Tafel mit gutem Grund die Kreuzigung
Pfennings vermuten, deren Stammbaum ja unbekannt ist. Daß sie in den älteren Inventaren unter
dieser Bezeichnung nicht vorkommt, bildet kein ausschlaggebendes Gegenargument. Begnügt sich
doch das Inventar von 1612 z. B. mit so dürftigen Notizen wie: «Nr. 3, eine alte gemalte Tafel, von
Werfen herauskhommen» und dergleichen. Auch das Verzeichnis von i8o3 erwähnt noch summarisch
«über 160 Gemälde», die sich in einem Gange gegen das Kloster St. Peter befänden. Unsere Kreuzi-
gung wurde nun kurz vor 1806 aus dem Bestände der Galerie ausgeschieden und von dem Staats-
minister des Großherzogs Ferdinand, dem Feldmarschalleutnant Friedrich Marchese von Manfredini
eben dem Stifte St. Peter geschenkt. Bald darauf wurde sie jedoch zurückverlangt, um mit anderen,
für Wien bestimmten Kunstschätzen in die «alte Türnitz» übertragen zu werden.2

Diese Fürsorge verdankte die Tafel gewiß nur ihrem Kuriositätenwerte, nicht einem künstleri-
schen Interesse, das für den Nachlaß der Gotik damals erst in wenigen romantischen Gemütern sich

1 Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 1862, S. 206, und 1901, S. 26. Für das Folgende vergl.
dieselbe Zeitschrift 1862, S. 198, 246, 250, und 1872, S. 3jg.

2 Es handelt sich um die 1641 vom Erzbischofe Paris von Lodron errichtete Kaserne der Stadtguardia am heutigen
Franz Josefs-Quai in Salzburg, so genannt zum Unterschiede von der «neuen Türnitz» am Stadtwall, neben dem Virgilstore.
(Türnitz, auch Turnitz, Durnitz, nach Schmellers «Bayrisches Wörterbuch» ursprünglich ein heizbares Gesindezimmer in
Klöstern und herrschaftlichen Gebäuden).

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