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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0058
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52

Robert Stiassny.

zu regen begann. Vor der Neuerungssucht der Zopfzeit aus einer Kirche Salzburgs oder der Umge-
bung gerettet, ist das Bild aller Wahrscheinlichkeit nach nicht von auswärts eingeführt sondern, wenn
nicht im Lande selbst, so jedenfalls im Donau-Alpengebiete, auf bajuvarischem Boden entstanden.

Das bestätigt in erster Linie sein Stilcharakter. In den Kreuzigungsgemälden des XIV. und der
ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts macht sich die provinzielle Eigenart noch wenig bemerkbar. Ein

und dasselbe Kompositionsschema, das an
romanische Muster anknüpft, geht durch die
gesammte christliche Kunst des Abendlandes.
Es wird auch in Altbayern und Tirol genau
wiederholt, wie B. Riehl und H. Semper an
einer Reihe von Beispielen kürzlich darge-
legt haben.1 Die engere Heimat des Schemas
mit Semper in Tirol zu suchen, fehlt jedoch
der Anlaß. Auch wo es sich um Staffelei-
bilder handelt, sind diese Kreuzigungsbilder
wandmalereiartig in der Anordnung und dem
breitflächig kolorierenden, dünnen Auftrag.
Die Darstellung beschränkt sich auf die Vor-
führung des Crucifixus zwischen den beiden
Gruppen seiner Freunde und Feinde, ein-
fachen statuarischen Figuren in ruhigem Bei-
einander, von der typischen Bildung und der
weichen Formenfülle des altgotischen Stiles.

Um die Mitte des XV. Jahrhunderts
kommt aber für die Bilder des Kreuzestodes
Christi eine andere Formel auf. Man liebt es
jetzt nicht mehr, die biblischen Vorgänge
durch wenige hergebrachte Gestalten auszu-
sprechen, sondern erweitert die Darstellun-
gen zu möglichst figurenreichen, bewegten
Szenen. Aus den Querbildern werden der
wachsenden Vertikaltendenz der Spätgotik
gemäß in der Regel überhöhte. Die frühere
strenge Zweiteilung der Bildfläche wird mit
der Einbeziehung der beiden Schächer fallen
gelassen. Um die drei Kreuze schiebt und
drängt sich eine bunte, vielköpfige, neu-
gierige Volksmenge. Den Hintergrund nimmt
die lanzenstarrende Schar der römischen Kriegsknechte zu Fuß und zu Roß ein, zwischendurch Pha-
risäer, Schriftgelehrte und schaulustiger Pöbel. Pilatus, der fromme Hauptmann, mitunter auch der
Hohepriester reiten an den Kreuzesstamm des Erlösers heran, dessen Fuß die knieende Magdalena um-
faßt. Vorne links die ohnmächtige Maria in den Armen der drei klagenden Frauen und des Johannes;
in der rechten Ecke meist die würfelnden Soldaten oder eine andere Episode.

In der Schilderung solcher Einzelheiten, namentlich der grell übertriebenen Charakteristik der
Schächer und Widersacher des Herrn, erschöpft sich das realistische Streben der Zeit. Ein Figuren-
gewimmel auf Goldgrund — das ist bei der mangelhaften Perspektivik der Eindruck der Bilder, denen
die alten Verzeichnisse bisweilen den treffenden Namen geben: «kreuzigung mit eym gedränge».

Fig. i. Mittelbild eines Flügelaltars. Hallstatt, Pfarrkirche.

(Nach einer Aufnahme von E. Gerisch).

1 Oberbayerisches Archiv 1895, S. 54 ff., und 1896, S. 470 ff.
 
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