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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0063
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Altsalzburger Tafelbilder.

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Zeugnisse ausgeführt wurden, — nicht zu reden von den niederländischen Meistern, die nach Ober-
deutschland und Osterreich kamen, dem trefflichen Nikolaus von Leyden z. B., dem Schöpfer des Grab-
males Kaiser Friedrichs III. im Wiener Stephansdome. Daß Salzburg mit seinem lebhaften Durchzugs-
handel und der Prachtliebe seiner Fürsten bei dem Massenexport altniederländischer Bilder nicht leer
ausgegangen ist, beweist ein freilich schon späteres Triptychon aus dem Kreise des Pseudo-Mostaert,
das aus dem alten Dome in die Salinenkapelle zu Hallein und von dort in das Salzburger Museum
(Saal XIX) gelangt ist. Diese Eindrücke konnten Pfenning jedoch nur in der Richtung bestärken, in
die damals die eigene Entwicklung der oberdeutschen Schulen auszumünden im Begriffe war. Das
Schlagwort der älteren Forschung von den Niederlanden als dem Mutterlande der gesamten deut-
schen Kunst des XV. Jahrhunderts hat in letzter Zeit mit Recht viel von seinem kanonischen Ansehen
verloren. Wohl ist es wahr, daß das reiche Burgund und die großen Handelsstädte an der Maas und
Scheide für das westliche Europa damals tonangebend waren in allen Fragen des Geschmackes und
der Mode, daß es bis nach Osterreich hin für vornehm galt, flämische Redewendungen zu gebrauchen,
zu «flämen».1 In der Malerei haben indeß bloß die altkölnische und westfälische Nachbarschule das
«Flämen» sich angewöhnt. Am Oberrhein, bei den Franken, Schwaben, Bayern, Österreichern begeg-
nen wir nur höchst vereinzelt einem unmittelbaren niederländischen Einflüsse (Schongauer, Herlen).
Der Drang, den gotischen Formen neues Leben einzuflößen, die innere Neigung zum Naturalismus,
die das mittelalterliche Darstellungssystem zersetzte, rührte sich vielmehr an verschiedenen, vom nieder-
ländischen Verkehr oft entlegensten Stellen zu gleicher Zeit. Und von ähnlichen geistigen Grundlagen
ausgegangen, hatte die Bewegung im Süden ein analoges Resultat wie im Norden.

Ein uralter Mittelpunkt oberdeutscher Kunst wie Salzburg kann sich ihr nicht verschlossen
haben. Auch hier gab es einen Ubergang von altgotischer Typik zu spätgotischem Realismus und
Pfenning war einer seiner Vertreter. Keine leitende Persönlichkeit, mehr Pfadsucher als Pfadfinder,
steht er noch auf derselben Stilstufe wie Stephan Lochner, Lukas Moser, der Meister des Barbara-Altares
von 1447 in Breslau, der Maler des Dreifaltigkeits-Triptychons von 144g in Aussee. Er füllt aber seinen
Platz aus als Stammhalter einer bisher wenig berücksichtigten Schule, die innerhalb des bayerischen
Provinzialismus ihre besondere Tonart bewahrte. Wie festgegründet diese örtliche Uberlieferung, der
lokale Geist der Salzburger Malerei gewesen ist, dafür liefert einen vollgültigen Beleg eine merkwürdige
jüngere Redaktion der Kreuzigung Pfennings, die wir in einer anderen österreichischen Alpenstadt
aufzusuchen haben.

II.

Im Dom zu Graz, hoch oben im Presbyterium, über einer Empore auf der Epistelseite, hängt ein
großes Passionsbild (Taf. VIII). Früher lange Zeit verborgen in der alten Sakristei, dem sogenannten
Hoforatorium, ist das Gemälde auch an seinem jetzigen Standorte schwer zugänglich und durch sein
schlechtes Licht der näheren Betrachtung fast entrückt. Ursprünglicb>'war ihm eine würdigere Stätte be-
reitet. Es bildete das Mittelstück eines Aufsatzes auf dem Hochaltare, dessen Marmormensa mit der
Jahreszahl 1449 und den Buchstaben A. E. I. O. U. sich noch in der alten Sakristei befindet. Der Altar
ist demnach von Kaiser Friedrich III. selbst in die zwischen 1438 und 1456 von ihm erbaute Hof- und
Domkirche gestiftet worden. Aufgestellt wurde der Schrein aber erst im Jahre der Weihe des Domes,
1457; dieses Datum trägt unser Kreuzigungsbild.

Wir haben eine umfangreichere Tafel als in Wien vor uns, abermals von nahezu quadratischem
Format und zusammengesetzt aus acht paarweise ineinander gefalzten Brettern von Kastanienholz
(2-69m X 2-75?w). Die Bretter haben sich geworfen und verbogen. Auch sonst ist der Zustand des
Bildes nicht der beste. Sein Goldgrund wurde im XVII. Jahrhundert mit einem Wolkenhimmel über-

1 Vgl. M. Evers, Deutsche Sprach- und Literaturgeschichte im Abriß, Berlin 1899, S. 59, 99.
XXIV.

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