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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0067
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Altsalzburger Tafelbilder.

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Falle brauchen wir jedoch bei dem bloßen Namen nicht stehen zu bleiben. In dem oben zitierten
Verzeichnisse von Salzburger Malern stoßen wir auf einen «Conrad Laib von Eyslingen in der
von Oting land», der 1448 schon zum Stadtbürger aufgenommen wurde.1 Die Kombination dieses
Eintrages mit den Inschriften des Grazer Dombildes ist ein Verdienst von Graus, der von seinem Funde
noch keinen Gebrauch gemacht hat. Wurden wir bei Pfenning also nur durch Herkunft und Stil der
Wiener Tafel auf Salzburg verwiesen, so können wir den Meister der Grazer Kreu-
zigung mit aktenmäßiger Gewißheit in Salzburg lokalisieren.

Ein gebürtiger Salzburger war Laib freilich nicht sondern ein aus dem Reiche
zugezogener Schwabe. Im Nordwesten des Riesgaues und der ehemaligen Grafschaft
Ottingen liegt sein Heimatsort Enslingen, im Volksmunde Einslingen, mit französi-
scher Aussprache (nasales ae) gesprochen, woraus durch einen Schreibfehler leicht
Eislingen werden konnte. Heute gehört der kleine Weiler zum bayerischen Regie-
rungskreise Schwaben-Neuburg und ist in das Nachbardorf Minderoffingen eingepfarrt.
Herr Bibliothekar Dr. G. Grupp in Maihingen, dem ich diesen topographischen Nach-
weis verdanke, versichert weiter, daß der Name Laib oder Leib in der Gegend früher häufig vorkam.
In der Kirche von Minderoffingen bestehe noch gegenwärtig ein Laibischer Jahrtag, der aus Enslingen
stamme. Die Hauptstadt des Rieses, Nördlingen, war im XV. Jahrhundert bekanntlich ein Vorort der
schwäbischen Malerei, die sich hier zu einer eigenen Schule konzentrierte. Die Annahme liegt nahe,
daß Laib dort seinen ersten Unterricht erhalten
habe. Seine bestimmende Ausbildung muß er
sich aber anderswo geholt haben. Denn die
Grazer Tafel steht gleichzeitigen Nördlinger Ar-
beiten, wie den 1459 datierten Altarflügeln
Friedrich Herlins im Münchener Nationalmu-
seum und im Rathause zu Nördlingen, recht
fremd gegenüber. Erscheinen die niederländi-
schen Anklänge schon auf dem Bilde Pfennings
unmaßgeblich und sekundär, so kann von einem
wesentlichen Eingehen auf die flandrische Dar-
stellungsweise, die Herlin mit so wenig Geist
ergriffen hatte, vollends keine Rede sein bei
Laib, wenigstens solange wir für die Beurtei- Faksimile 3.

lung seiner Kunst auf ein einziges Werk be-
schränkt sind. Dieses macht es vielmehr wahrscheinlich, daß der schwäbische Kunstjünger in seinen
Wanderjahren den entgegengesetzten Weg eingeschlagen habe wie Herlin, sich nicht rheinabwärts
sondern nach Bayern gewandt habe, um dann weiter nach Süden zu ziehen. Mit Recht hat schon
Eitelberger in dem Grazer Altarblatt italienischen Einfluß wahrgenommen und auf die Bekanntschaft
des Künstlers mit der oberitalienischen Trecentomalerei zurückgeführt. Er ging jedoch zu weit, wenn
er Altichieros Kreuzigung in der Georgskapelle zu Padua als unmittelbares Vorbild heranzog und die
Frauengruppe der Grazer Tafel als freie Übertragung aus dem Paduaner Fresko bezeichnete. Ein Ver-
gleich mit der Photographie Alinaris (Nr. 13146) läßt von der behaupteten Identität der beiden Grup-
pen so wenig übrig, daß umgekehrt der Gegensatz Laibs zur italienischen Anschauungsweise vor
dieser Partie unseres Bildes besonders ins Auge springt. Auch die von Eitelberger konstatierte Annähe-
rung an italienische Modetrachten vermag ich in unserem Dombilde nicht zu entdecken. Eher könnte
man von einigen italienisch inspirierten Köpfen sprechen, z. B. bei dem zu Seiten des Mittelkreuzes
zweimal erscheinenden alten Pharisäer. Hauptsächlich sind es jedoch die allgemeineren Vorzüge der
im nordöstlichen Oberitalien tätigen spätgiottesken Schule, die Laib beherzigt zu haben scheint. Seinem

1 Mitteilungen der k. k. Zentralkommission 1866, S. 74.
 
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