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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0069
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Altsalzburger Tafelbilder.

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gen, gilt das zunächst von dem Verfertiger des vorgenannten Triptychons von 1449 in der Spital-
kirche zu Aussee, gleichfalls einer Stiftung Kaiser Friedrichs III. Erfolgte die Bestellung aber außer
Landes, so mußte sich der Beachtung des Kaisers Salzburg an erster Stelle empfehlen als die Haupt-
stadt des Erzbistums, dem Steiermark unterstand. Und hier wird die Wahl gewiß auf keinen unter-
geordneten sondern auf einen tonangebenden Meister gefallen sein.

In der Tat kann es keine Frage sein, daß Conrad Laib den Pfenning an Begabung bei weitem
übertroffen hat. Möglich, daß zwischen beiden ein direktes Verhältnis bestand, der Zugewanderte
zeitweilig Gehilfe oder Geschäftsteilhaber des ansässigen Meisters gewesen ist. Möglich, aber nicht
notwendig. Mit der Anlehnung an die Komposition des Pfenning'schen Bildes, die ihm mutmaßlich
vorgeschrieben war, hat Laib sich so wenig etwas vergeben wie Michael Pacher, wenn sich dieser 1471
verpflichtete, das Schnitzbild der Krönung Marias im Altare von Gries genau nach dem eben er-
wähnten Schrein des Hans von Judenburg in der Bozener Pfarrkirche auszuführen.1 Gerade in der
lebendigen Fortbildung des alten Themas zeigt Laib sein starkes persönliches Temperament, sein spon-
tanes künstlerisches Streben. Dem bajuvarischen Geschmack am Krassen und Derben hat er nur geringe
Zugeständnisse gemacht. Auffälliger erscheint, daß der an der Grenze des schwäbischen und fränki-
schen Volksstammes geborene Künstler so gut wie gar nicht «angefränkelt» ist. Von der nüchternen
Bestimmtheit, der harten Formengebung der fränkischen Schule, in der sich am frühesten der Schnitz-
stil der spätgotischen Tafelmalerei ankündigt, ist keine Spur in dem Grazer Bilde. Was Laib aber in
Italien gelernt, hat ihn nicht umgestimmt, nicht abgelenkt von seinem ursprünglichen Ziele sondern
nur befähigt, es vollkommener zu verwirklichen. Er bleibt der echte Oberdeutsche, ja in der Inner-
lichkeit seiner Gestalten, dem Gefühle für edle Verhältnisse, der vollen, harmonischen Färbung der
unverfälschte Schwabe. Freilich muß man sich die Gegensätze innerhalb des schwäbischen Stammes
und die Ungleichheit des Bildungsganges gegenwärtig halten, um so verschiedenartige Individualitäten
zu begreifen, wie sie uns in Lukas Moser, Konrad Witz, Hans Multscher im zweiten Drittel des Jahr-
hunderts auf alamannischem Boden entgegentreten. Nicht mit Unrecht werden diese bedeutenden
Schwabenmeister heute an die Spitze der oberdeutschen Kunstentwicklung des Quattrocento gestellt.
Wie Schwabens Herzogsfahne in den Schlachten des deutschen Reiches das Vordertreffen führte, so
haben sie, unabhängig von den Flandrern, als die ersten im deutschen Binnenlande das Banner eines
konsequenten Realismus entfaltet. Dieser Trias schöpferischer Geister läßt sich Conrad Laib nicht als
ebenbürtiger Künstler an die Seite setzen. Abgeschnitten von der heimatlichen Entwicklung, trachtet
zwar auch er in die neue Zeit hinein, bleibt auf seinem vorgeschobenen Posten jedoch auf halbem
Wege stehen, im großen und ganzen mehr ein Nachzügler des verschwundenen altgotischen Idealis-
mus als Vorkämpfer des zum Durchbruch gelangten modernen Stilprinzipes. Im Salzburger Kunst-
leben muß der rüstige, vielgewanderte Meister aber eine treibende Kraft gewesen sein. Und für den
Zusammenhang der Österreichischen Gebirgslande mit dem damals führenden Kunstlande des Reiches
ist das Grazer Dombild nach dem Altarwerk Hans Multschers in Sterzing vorläufig das wichtigste
Zeugnis.

r

III.

Schwäbische Art scheint im Salzburgischen dauernden Anklang gefunden zu haben. Mit dem
eben genannten Multscher oder einem seiner Werkstattschüler stehen sechs noch gar nicht gewürdigte
Passionsbilder von 1467 in der Stiftskirche zu Laufen a. d. Salzach in Verbindung. Die Gruppe der Maria
und des Johannes unter dem Stadttor auf der Kreuztragung wenigstens ist unmittelbar entnommen der
betreffenden Scene des 1458 vollendeten Sterzinger Altares. Auch sonst gehen Berührungen mit der
Ulmer Schule in Salzburger Bildern durch bis in die erste Zeit des XVI. Jahrhunderts, wo Augsburger

1 Vgl. den Kontrakt in diesem Jahrbuch XX, 2, S. CLXXIV, und AI. Spornberger, Geschichte der Pfarrkirche von
Bozen, 1894, S. 8 f.
 
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