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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0071
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Altsalzburger Tafelbilder.

eine Wiederholung des Versuches, die Persönlichkeit des Künstlers ans
Licht zu ziehen und festzulegen, — ein seltener Fall, wie man weiß,
in diesem südostdeutschen Winkel der Unbekannten und Ungenannten.

Die Großgmainer Tafeln sollen von einem Altar in der Kapelle
des nur mehr als Ruine vorhandenen Schlosses Piain am Fuße des
Untersberges stammen. Daß es sich um Flügelbilder handelt, beweisen
die Reste von Malereien auf den teils abgehobelten, teils mit Ölfarbe
überstrichenen Rückseiten. Auf der Außenseite der Tafel mit dem
Tode Mariens steht noch ein reizendes Madonnenköpfchen von einer
Anbetung der Könige zu Tage, auf der Kehrseite der Darbringung wird
von einer Beweinung eine Frau in dunkelrotem Kleid und weißer Rise
sichtbar (Fig. 6 und 7), auf der Rückseite des Pfingstfestes ein bart-
loser männlicher Kopf in roter Kappe von einer Beschneidung. Der
Untergang dieser Gemälde ist bedauerlich; denn an Gehaltenheit der
Empfindung, in der zierlichen Schärfe der Durchführung standen sie,
soweit die Bruchstücke ein Urteil zulassen, den Vorderbildern wenig
nach. Leider laßt auch deren Erhaltung zu wünschen übrig. Infolge
einer wenig glücklichen Restauration, die sie im Jahre 1827 über sich
ergehen lassen mußten, zeigen sie außer älteren Sprüngen neuestens
Blasenbildung und beginnende Abblätterung des Farbkörpers. Die
Reihe ist überdies nicht mehr vollständig. Zwei weitere Stücke desselben
Marieneyklus, die Sighart noch 1845 gesehen hatte, fehlen sei langem.1
Nach Maßgabe anderer Wandelaltäre wird man aber ein doppeltes
Flügelpaar und damit einen ursprünglichen Bestand von acht Tafeln
mit 16 Bildern voraussetzen dürfen. Die Tiefe des Schreines mag
Schnitzwerk eingenommen haben. Dazu kamen allem Anscheine nach
noch zwei schmale Höhenbilder, die früher im Chore der Kirche zwi-
schen den Marienszenen hingen, bis sie vor mehreren Jahren in die
obere Sakristei versetzt wurden. In Nischen, vor roten Teppichen
stehen der Salvator und die Gottesmutter auf Steinsockeln unter Maß-
werkbaldachinen (Fig. 8 und Taf. XIII b). Sighart hatte die beiden
Tafeln für frühgotisch erklärt; sie sind aber ohne Frage gleichzeitig
mit dem Altar, obwohl sich ihre gegenwärtigen Abmessungen (2'6o m
X 55 cm) mit denen der Flügelbilder (1/50 m X 1 m) nicht in Verbin-
dung bringen lassen. Vielleicht schmückten sie die Rückwand des
Schreines, vielleicht dienten sie — am Isenheimer Altar Grünewalds
besteht diese Einrichtung — zum Verschluß seiner Schmalseiten und
konnten beim Offnen zurückgeklappt werden. Eingeengt und gestreckt
durch das Format der Tafeln, machen die hochaufgeschossenen Fi-
guren in ihrer statuarischen Steilheit tatsächlich einen altertümlichen
Eindruck, der sich aber aus dem Zwange der Aufgabe erklärt. Der Sal-
vator (Fig. 8) ist durch eine stümperhafte Übermalung zudem arg mit-
genommen worden. Füße, Hände, das meiste der Draperie, ja selbst
das Gesicht, das, früher von einem spitz zulaufenden Vollbart um-
rahmt, jetzt glatt erscheint, wurden willkürlich erneuert. Die von
einer solchen Auffrischung verschont gebliebene Madonna hingegen
ist nicht nur des Meisters von Großgmain durchaus würdig, sondern

Fig. 8. Salvator.
Großgmain, Pfarrkirche, Sakristei.

1 Mitteilungen der k. k. Zentralkommission 1866, S. 76, Anm. 22.
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