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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0074
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Robert Stiassny.

tionsbedingungen der Zeit nötigten eben zur Arbeitsteilung und die Künstler selbst unterschieden
sehr wohl zwischen einer «ernvest daffl» und einer «paurn dafl», wie sich Michael Ostendorfer in einer
Eingabe an den Stadtrat in Regensburg vom Jahre 1555 ausdrückt.1 Auch Dürer spricht ja in dem
Briefwechsel mit Jakob Heller von den «gemeinen Gemäl», von denen man einen Haufen machen
könne in einem Jahre.2 So deutlich nun selbst solche Handwerksleistungen — die beste der Rück-
malereien scheint die leider völlig verdorbene Geburt gewesen zu sein — Absichten und Formen-
sprache des Meisters R. F. offenbaren, so
wenig kann von einer unüberbrückba-
ren Kluft zwischen seiner Kreuztragung
und Kreuzigung einer-, den Tafeln von
Großgmain andererseits die Rede sein.

Man darf nur nicht übersehen, daß
ein Zwischenraum von acht Jahren die
beiden Bilderfolgen trennt, daß schon
die verschiedenen Dimensionen und der
verschiedene Gegenstand eine abwei-
chende Behandlung mit sich brachten.
Die Maße der Wiener Tafeln (2*12 m X
1*34 m) nötigten den Maler, den Figu-
ren längere Verhältnisse zu geben. Hier-
durch sind die Formen flacher und flauer,
die Bewegungen ungelenker, die Gewän-
der scharf brüchiger geworden. Die grö-
ßeren Gestalten verbinden sich nicht so
gut mit ihrer Umgebung, erscheinen zu
sehr aufeinander gedrängt. Die Bilder in
Großgmain sind lockerer komponiert,
ihre räumliche Anordnung ist bei gleich-
falls noch hohem Sehpunkt überlegter,
der Faltenwurf sparsamer —■ diese Wen-
dung zur Vereinfachung, zum Maßhalten
liegt aber im Gange jeder normalen
künstlerischen Entwicklung. Im übrigen
lassen die Wiener Tafeln schon den kla-
ren Formensinn des Malers erkennen,
die appetitliche Sauberkeit seines Mach-
werkes. An dem kleinen Hinterkopfe
Fig. 11. Werkstatt des Meisters R. F., Mariae Himmelfahrt. seiner Gesichter, den zurückstehenden

(Rückseite der Kreuzigung). Backenknochen, dem vorgeschobenen

Wien, kais. Gemäldegalerie. Kinne, dem gekniffenen Munde und den

halbgeschlossenen Augen hat er auch
später mit Vorliebe festgehalten. Die spitzfingerigen Hände mit schmalem Gelenk und dicker Mittel-
hand gefallen sich wie in Großgmain in gespreizten Fingerstellungen mit manchmal zangenförmig
abgebogenem Daumen. Die Maria der Kreuztragung (Taf. XVa) und der Petrus der Himmelfahrt
(Fig. 11) verschränken die Arme genau wie der Levite hinter Simeon auf der Großgmainer Tempel-
repräsentation (Taf. IX). Sehr charakteristisch ist das Ohr des Meisters, das, wo es sich zeigt, meist

1 Verhandlungen des Histor. Vereines von Oberpfalz und für Regensburg 1850, S. 67.

2 Thausing, Dürers Briefe, Quellenschriften für Kunstgeschichte III, Wien 1S72, S. 3$.
 
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