Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0083
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Altsalzburger Tafelbilder.

77

erstehung. Mit bewußtem Humor ist Kaiphas behandelt und
eine kecke, fast brueghelbafte Laune regt sich in den Gal-
genphysiognomien einzelner Schergen der DornenkrÖnung.
Aus der geharnischten Häscherbande der Gefangennahme
scheint der kleine Gewappnete in der Schar des Judas im
Mittelgrunde des Wiener Olberges zu stammen. Die Hen-
kersknechte der Kreuzigung aber mit ihrem breiten Grinsen
und ihren wilden, fahrigen Bewegungen rufen unmittelbar
die bizarren Gestalten der Widersacher auf den Tafeln der
kaiserlichen Galerie ins Gedächtnis.

Waagen hatte sämtliche Passionsszenen ein und der-
selben Hand zugeschrieben. Gewisse Gradunterschiede der
Durchführung und der schwankende Christustypus lassen
aber doch wohl auf zeitweilige Gesellenhilfe schließen. Hin-
gegen sind die Kolossalfiguren des segnenden Christus und
der Maria auf den Verschlußseiten der Flügel, die Waagen als
die Arbeit eines anderen, von dem ersten unabhängigen Ma-
lers höher einschätzte als die kleinen Bilder, dem Haupt-
meister zurückzugeben. Die Wirkung dieser Einzelgestalten,
die, feierlich isoliert, in statuarischer Pose, unter Maßwerk-
bogen, vor einer grün und roten Tapete stehen, wird, wie
schon gesagt wurde, beeinträchtigt durch eine teilweise
Ubermalung. Sie hat namentlich die Madonna betroffen,
eine mütterlich gehaltene, bürgerlich behäbige Erschei-
nung in rotem Kleide und weißem, über den Hinterkopf
gezogenem Mantel (Fig. 19). Der Salvator in violettgrauer
Tunika unter rotem, goldverbrämtem Mantel, mit seinen
schwermütigen, sanften Augen, der leicht gebogenen Nase,
dem starken braunen Haar und schütteren Bartanflug (Taf.
XIII a) zeigt aber unverkennbar die Duldermiene des Chris-
tus der Passionsszenen unseres Altares und des Wiener Ol-
berges. Der Kopf ist hier nur mehr dem traditionellen kirch-
lichen Ideal genähert. Daher die Verwandtschaft mit dem
von den van Eycks festgestellten Heilandstypus, in dem
noch etwas vom altüberlieferten byzantinischen Schema fort-
lebt, von jenem «wahren Christusporträt», dessen in Sma-
ragd geschnittenes, zu Konstantinopel aufbewahrtes Original
von Malern, Medailleuren und Formschneidern des späte-
ren Mittelalters öfters nachgebildet wurde.1 Die repräsen-
tative Auffassung, die schattenarme, nur auf farbige Flächen-
belebung ausgehende Malerei von fahlem Ton erinnert aufs
nächste an die gleichen Figuren in Großgmain, mit dem
Unterschiede, daß der Maler in Regensburg dem großen
Maßstabe noch weniger wie dort gewachsen war. Mit Zu-
nahme des Maßes scheinen seine Formen an Individualität
und Lebendigkeit abzunehmen. Dieselbe Beobachtung hatten
wir vor den Wiener Passionstafeln gemacht. Für die Ur-

Fig. 19. Maria.

Vom Flügelaltare in der Sammlung des Historischen
Vereines zu Regensburg.

1 Vgl. W. Bode, Zeitschrift für christliche Kunst 1888, S. 350.
 
Annotationen