Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Stiassny, Robert: Altsalzburger Tafelbilder
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0084
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
78

Robert Stiassny.

heberschaft des Großgmainers an diesen wäre also ein wertvolles Argument gewonnen, könnte es
als erwiesen gelten, daß der Regensburger Altar von ihm herrührt.

Untersuchungen über deutsche Maler des XV. Jahrhunderts pflegen nicht allein darum dornenvoll
zu sein, weil wir von urkundlichen Nachrichten mehr oder weniger verlassen sind, sondern auch, weil
man bei der Sichtung des Materiales mit dem bloßen Qualitätsmaßstabe selten auskommt. In der Regel
lernen wir einen Meister durch einige gesicherte Schöpfungen seiner Spätzeit als fertigen Künstler
kennen. Welche Stilwandlungen vorausgegangen sind, wie seine früheren Arbeiten ausgesehen haben,
das sind offene Fragen, für deren Beantwortung wir auf Schlüsse statt auf Tatsachen angewiesen sind.
Nicht immer ist der Zufall so gnädig, — wie er dies kürzlich für Hans Multscher getan hat — durch
den Fund eines beglaubigten Werkes uns über den Jugendstil des Künstlers aufzuklären.

Die 1499 gemalten Bilder in Großgmain zeigen entschieden die ausgeschriebene Hand unseres
Meisters. Die Wiener Gemälde lassen sich als neun Jahre ältere Produkte desselben sehr wohl verstehen.
Gesetzt, die Entstehung des Regensburger Altares liege ein weiteres Jahrzehnt zurück, so würde er in
das Gesamtbild seiner Entwicklung sich gar nicht übel einfügen. Denn die meisten Eigenheiten des
Großgmainers sind hier im Keime schon vorhanden. Vom ikonographischen Schema, von manchem
Atavismus der spätmittelalterlichen Malerei ist er auch in den Wiener Bildern noch nicht losgekommen.
Vollends in Regensburg haftet ihm noch vieles an vom älteren Herkommen, von der befangenen un-
freien Kunstweise der vorausgegangenen Generation.

Der Kennerblick Bayersdorfers dürfte also das Richtige getroffen haben. Wir treten dem Meister
von Großgmain kaum zu nahe, wenn wir den Regensburger Altar in sein Werk aufnehmen und
um 1480 ansetzen, eher früher als später.

V.

Die drei Bilderfolgen in Regensburg, Wien und Großgmain besitzen bei allen Verschiedenheiten so
viel Gemeinsames, daß sie von der Eigentümlichkeit des Meisters, seiner Anlage und seinem Wollen
einen zureichenden Begriff geben. Hält man, von ihnen ausgehend, Umschau nach anderen Arbeiten
des Künstlers, so kommt an erster Stelle ein kleines Gemälde aus dem Jahre 1483 im Prager Rudol-
finum in Betracht (Taf. XVIII a). Der unter Mitwirkung W. Bodes verfaßte Katalog (1889, Nr. 502)
schreibt es sonderbarerweise einem «Niederländischen Meister aus den nördlichen Provinzen» zu. Aber
schon Scheibler hatte in dem feinen, auf Lindenholz gemalten Andachtsbilde (88 X 52 cm-) die Art
des Monogrammisten R.F. bemerkt.1 Dargestellt ist Maria mit dem Kinde, vor ihr der kniende Stifter,
unter dem Schutze seines Namenspatrons, des Apostels Thomas, der ihm die Hand huldvoll aufs
Haupt legt. Links ein Pult mit einem aufgeschlagenen Buche, darüber, unter einem vorgekragten Bal-
dachin, eine längere unlesbare Inschrift mit der bereits angeführten Jahreszahl zum Schluß. Im
Hintergrunde durch ein Fenster Ausblick auf eine Flußferne. In diesem frühesten datierten Werke des
Großgmainers, das bisher bekannt geworden ist, hat er die stilistische Gebundenheit des Regensburger
Altares noch nicht völlig überwunden. Der schlanke Donator im eisengrauen Gewände, mit der
spinnstigen Miene erinnert an den Johannes auf dem dortigen Olberge, der leutselig-mitleidige Heilige
in hochrotem Mantel über gelbgrüner Tunika, mit dem überstark zur Seite geneigten Kopfe hat den
grämlichen, weinerlichen Ausdruck des Simon von Cyrene auf der Kreuztragung in Regensburg. Der
Kopf selbst vergleicht sich dem des Apostels vorne links von der Gottesmutter auf dem Pfingstfest in
Großgmain. Das rhachitisch verkümmerte Kind auf dem Schöße Marias hinwieder ist geradezu der
Milchbruder des Jesusknaben in der Anbetung der Könige auf der Rückseite der Wiener Kreuztragung.
Die in Rosa und Blau gekleidete Maria endlich zeigt einen auch in der Wiener Verkündigung noch
nachklingenden Typus, der auf Salzburger Bilder der «Maria in Ähren» zurückgeht. Es ist dasselbe

1 Repertorium für Kunstwissenschaft 1887, S. 302.
 
Annotationen