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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Wickhoff, Franz: Aus der Werkstatt Bonifazios
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0104
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98

Franz Wickhoff.

die beiden Kinder, um die
es sich handelt, das lebende
wie das tote, fehlen noch, ob-
wohl das Bild schon fast voll-
endet ist; und eben weil es
dem Maler mißlang, sie in die
Komposition einzufügen, hat
er diese unbeendet stehen
lassen. Der Salomon ist von
Tizian entlehnt, er ist dessen
Marcus in der Salute; die
Stiche des Marc Anton wur-
den reichlich benützt. Ca-
riani, dessen Name als der
des Autors vorgeschlagen
wurde, ist durch die Raum-
behandlung ausgeschlossen,
weil es gerade sein Fehler
ist, alle seine Figuren im Vor-
dergrunde in einer oder zwei
knapp aneinander gepreßten
Schichten aufzustellen, hinter
denen jede Tiefe entbehrt
wird. Die Verbindung mit
Paris Bordone ist so deut-
lich, daß man versucht sein
könnte, dieses Salomonsurteil
für dessen Jugend in An-
spruch zu nehmen. Ist es
wirklich, wie ich zu glauben

Fig. 5. Kirchenfahne von Antonio Palma in Serinalta. Grund habe, von Steffano

Cernotto, so weist es die-
sen deutlich als Mitschüler des Paris Bordone bei Tizian nach.

Antonio Palma.

Am Ende der Zwanzigerjahre, als Jacopo Bassano aus der Werkstatt des Bonifazio ausge-
treten war, hatte sich diese noch an keines der Probleme der Verkürzung, wie sie von Padua und Flo-
renz aus schon in Venedig eingetreten waren, gewagt, aber auch nicht an eines der Probleme der Raum-
gestaltung, die wir von Steffano Cernotto, einem Nebenbuhler Bonifazios, im Palazzo de' Camerlen-
ghi so herzhaft angegriffen sahen. Die höchste Leistung war bisher der Versuch gewesen, zwischen die iso-
kephalen Reihen von Gestalten hier oder dort eine Gruppe, die ein frateskes Dreieck bildete, einzufügen,
während sich noch ober allem gleichmäßig die uniforme Gebirgslandschaft als Hintergrund ausspannte.
Endlich lassen sich selbst von dieser zurückgebliebenen Werkstatt die großen Neuerungen des Jahrhun-
derts nicht mehr ferne halten. Eine Bekehrung Pauli in den Uffizien, dort dem Pordenone zugeschrieben,
zeigt einen neuen Stil1 (Nr. 616). Von den sechzehn Figuren, Reitern und Fußgängern, die zu beiden

1 Schon Cavalcaselle hat dieses Bild dem Pordenone abgesprochen und es richtig zu Bonifazio gewiesen: Geschichte
der ital. Malerei, deutsch von Jordan VI, S. 345. Es ist Photographien von Alinari in Florenz, Nr. 771.
 
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