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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Premerstein, Anton von: Anicia Iuliana im Wiener Dioskorides-Kodex
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0125
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Anicia Iuliana im Wiener Dioskorides-Kodex.

II9

hier ober dem rechten Fuße schräg aufwärts zum linken Knie und von da zum linken Arm verlaufen
sehen. Während die Toga der Diptychen so angelegt ist, daß sie vorne an einzelnen Stellen zwischen
den Bruststreifen und dem Sinusstück die darunter angezogene reich
ornamentierte Dalmatica sehen läßt, ist dies bei der Palla — ent-
sprechend ihrem matronalen Charakter — nicht der Fall. Auf dem
Streifenabschnitt, der von der linken Schulter unter die rechte Achsel
zieht, ist mitten auf der Brust mit schwarzer Farbe etwas hingemalt,
was einem Dreiblatt ähnlich sieht; ich möchte darin die Andeutung
einer Fibula erkennen, welche Streifen und Sinusstück zusammen-
hält. Daß sich an das Sinusstück — wie bei den späten Togaformen
(oben, S. 117 mit Anm. 5) — noch ein zweites tabiüatum anschloß,
welches von der linken Schulter in den Rücken hinabfiel, läßt sich,
da uns die Rückenansicht fehlt, auch hier nur vermuten. In der bei-
gegebenen Rekonstruktion (Fig. 4) habe ich mich für diese Möglich-
keit entschieden.

Die eben beschriebene Palla der Iuliana1 bildet eine zwar
byzantinisch versteifte, aber in allen Hauptzügen zutreffende Illu-
stration zu der von Apuleius (oben, S. 117) geschilderten Gewan-
dung der Göttin Isis. In den Brust und Rücken umlaufenden Tei-
len der contabulatio ist sie circumcirca remeans] von dem entfal-
teten Sinusstück, das von der linken Schulter ausgeht und zu ihr
zurückkehrt, gelten die Worte sub dexterum latus ad umerum lae-
vum recurrens, umbonis vicem deiecta parte laciniae; von den
Enden der contabulatio, die vorne und wohl auch rückwärts herab-
fallen: multiplici contabulatione dependula ad ultimas oras nodulis
fimbriarum decoriter confluctuabat.

Als letzter Ausläufer der altrömischen Toga entstand am byzan-
tinischen Hofe aus der trabea oder toga picta der kaiserlichen und
konsularen Triumphaltracht durch allmähliches Einschwinden der
faltenbildenden Stoffpartien und durch mechanische Fixierung der
ursprünglich losen Bestandteile der von Goldstickerei starrende, zu-
meist reich mit Perlen und Edelsteinen geschmückte streifenartige lorus (Xfipo?). In paralleler Ent-
wicklung wurde aus der goldgestickten Palla der vornehmen Damen, wie wir sie an Iuliana sehen,
ebenfalls ein Xwpo;, der mit dem von Männern getragenen in Stoff, Form und Verwendung vollkommen
übereinstimmte.2

Fig. 4. Gewandung der Iuliana
(rekonstruierte Kückenansicht).

1 Ähnlich dürfen wir uns wohl die Gewandung der Dame auf dem Philoxenos-Diptychon (oben, S. 114, Anm. 8),
auf der Goldplatte bei Diehl, p. 51, fig. 20, und auf dem Medaillon denken, welches den Schild des hohen Offiziers (an-
geblich Stilicho) auf dem Diptychon zu Monza (Molinier, a. a. O. I, pl. I) schmückt. In diesen Fällen sehen wir nur die
beiden über der Brust sich kreuzenden Streifen.

2 Zu dem zuerst von Lydos (unten, S. 120, Anm. 7) um das Jahr 550 erwähnten Xwpo;, der auf Bildwerken (Münzen,
Bleisiegeln, Diptychen, Mosaiken, Miniaturen) sehr häufig vorkommt und wohl eine eingehendere Untersuchung verdienen
würde, vgl. außer mehreren der oben (S. 116, Anm. 4) angezogenen Schriften: Ducange, Gloss. med. et inf. lat. u. d. W.
forum; derselbe, De posteriorum imp. numismatibus (oben, S. 105, Anm. 1), cap. VI (VII) ff., mit Abbildungen, von welchen
zwei bei E. A. Grosvenor, Constantinople I (1895), P- ^7, ^9 wiederholt sind; Ducange, Gloss. med. et inf. graecitatis u. d.
W.; Stephanus, Thesaurus u. d. W.; E. A. Sophokles, Greek lexikon of the Roman and Byzantine periods, p. 725; J. J. Reiske,
Commentarii ad Constantinum Porph.de cerimoniis, p. 659 ff. (zu II, 15, p. 332 R.; bei Migne, Patr. gr. GXII, c. 1062 ff.);
Ch. Rohault de Fleury, La messe VIII, p. 46 f.; Grisar, a. a. O. (oben, S. 116, Anm. 4), S. 96 ff.; J. Wilpert, L'arte I, p. 99,
108 f.; II, p. 49 mit fig. 32, 33. Noch ungenutztes Denkmälermaterial bei N. Kondakoff, Histoire de l'art byzantin II, p. l3,
15 (König Roger von Sizilien); H. Weiß, Kostümkunde, 2. Aufl., II, S. 40, Fig. 25; Taf. IV; in den verschwenderisch mit
Abbildungen ausgestatteten Werken von G. Schlumberger (Sigillographie de l'empire byzantin, 1884; Nicephore Phocas, 1890;
L'epopee byzantine, 2 Bände, 1896—1900; Melanges d'archeologie byz. I [1895]); H. Omont, Fac-similes des miniatures des
 
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