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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 24.1903

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I. Theil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Über einige Antiken Ghibertis
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https://doi.org/10.11588/diglit.5914#0132
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Julius von Schlosser.

noch bis heute in undurchdringlichem Dunkel und diese Zeilen können vielleicht dazu dienen, es
gelegentlich wieder aufzufinden, falls es überhaupt noch vorhanden ist. Immerhin ist aber seine Ge-
schichte so vielverschlungen und abwechslungsreich, so voll von Ausblicken auf Geist und Tätigkeit
der Künstler und Sammler jener Zeiten, daß ihre Erzählung allein schon nicht einigen Interesses ent-
behren wird.

Zum ersten Male taucht das «Letto di Policleto», und zwar schon mit seinem kuriosen Namen
begabt, in nächster Nähe des berühmten, 1455 verstorbenen Erzbildners von Florenz Lorenzo
Ghiberti auf, jenes merkwürdigen Mannes, der in mehr als einem Sinne, nicht nur als Künstler,
auch als Schriftsteller, vom Mittelalter in die toskanische Renaissance hinüberschreitet. Allerdings ist
nicht er es selbst, der davon berichtet, vielmehr schweigt er in seinen «Commentarien», jener stets
denkwürdigen ersten Um- und Selbstschau eines modernen Künstlers, darüber völlig, obgleich er in
ihnen die schätzbarsten und namentlich für die Erkenntnis seiner eigenen künstlerischen Persönlich-
keit wichtigsten Äußerungen über antike Denkmäler gibt. Ebenso wenig wie hier ist in der frühesten
überhaupt unternommenen Bearbeitung der antiken Kunstgeschichte des Plinius, die bekanntlich
gleichfalls einen Teil von Ghibertis Commentaren bildet, weder im Kapitel über Polyklet noch
anderswo von jener seltsamen Antike die Rede.1 Dennoch sind wir aber völlig berechtigt, der so viel,
fast mehr als ein Jahrhundert späteren Angabe Vasaris Glauben zu schenken, der schon in der ersten
Ausgabe seiner Künstlerbiographien von 1550 erzählt, daß aus Lorenzo Ghibertis Nachlaß «zahlreiche
Antiken in Marmor und Bronze, darunter das Bett des Polyklet als eine überaus seltene Sache», in
den Besitz des Sohnes Vittorio übergegangen seien.2 Denn abgesehen von anderen Zeugnissen,
die dartun, daß Vasari diesmal seiner Lust am Fabulieren nicht Raum gegeben hat, ist der Aretiner
mit dem Enkel jenes Vittorio, der auch den Namen seines Großvaters trug, in seiner Jugend enge
befreundet gewesen; er hat von diesem, wie er berichtet, im Jahre 1528 Zeichnungen des berühmten
Ahnen zum Geschenke erhalten.3 Dann handelte es sich im Falle des Letto di Policleto offenbar um
eine in Florenz von altersher berühmte und bekannte Sache; und so gedenkt in der Tat Albertini
in seinem 1510 gedruckten Büchlein über die Sehenswürdigkeiten von Florenz kurz aber doch deut-
lich genug der «ausgezeichneten Sachen von der Hand des alten Polyklet», die sich damals noch im
Hause der Ghiberti befunden haben; die Verallgemeinerung ist im übrigen bemerkenswert.4 Jener eben
erwähnte jüngere Vittorio Ghiberti hat dann den ererbten Besitz durch unordentliche Wirtschaft ver-
schleudert und ist schließlich um 1530 aus Florenz flüchtig geworden. s Um diese Zeit wird denn auch
das Letto di Policleto in den Besitz eines anderen, gleichfalls einer berühmten alten Künstlerfamilie
entstammenden Sammlers, des Monsignore Giovanni Gaddi (1491 —1542), übergegangen sein. 6 So
berichtet nicht nur der mit diesem letzteren befreundete Vasari, sondern auch eine andere etwas ältere
Quelle, der anonyme Künstlerbiograph, dessen Werk in der Magliabecchianischen Bibliothek zu

1 Herr Prof. Heinrich Brockhaus in Florenz war so gütig, dies auf meine Bitte hin aus der Handschrift der Lauren-
ziana festzustellen. Während das insipideste und nutzloseste Zeug abgedruckt wurde, hat sich seltsamerweise bis heute
niemand gefunden, der sich der dankbaren, wenn auch mühevollen Herausgabe des Ghibertischen Nachlasses, dieses einzigen
Dokuments der Frührenaissance, gewidmet hätte.

2 Vasari ed. Milanesi II, 245: «Iasciö agli eredi molte anticaglie di marmo e di bronzo; come il letto di Policleto,
ch' era cosa rarissima, una gamba di bronzo grande quanto e il vivo, ed alcune teste di femmine e di maschi con certi vasi,
stati da lui fatti condurre di Grecia con non piecola spesa. Lasciö parimente alcuni torsi di figure e altre cose molte, le
quali tutte furono insieme con le faculta di Lorenzo mandate male, e parte vendute a messer Giovanni Gaddi allora cherico
di camera; e fra esse fu il detto letto di Policleto, e T altre cose migliori.»

3 Vasari a. a. O., p. 249.

4 Albertini, Memoriale di molte statuc e pitture della citta di Firenze, Per nozze edd. G. e C. Milanesi, C. Guasti
(Florenz i863), p. 11 : (In saneto I.aurentio:) «Non fo mentione di quelle excellentissime per mano di Polyclcto antiquo,
sono in casa e Ghiberti, dove ho visto uno vaso grande marmoreo intagliato bellissimo, il quäle Lorenzo Ghiberti fece
portare di Grecia, cosa bellissima.»

5 Vgl. Frey, II codice Magliabecchiano XVII, 17 (Berlin 1892), Anm. zu p. 148.

6 Frey a. a. O., p. 8 (unter Polycleto Sicionio): «E anchora a nostri tempi s'e visto di sua mano di bronzo il letto
con fiure maravigliose, che hoggi e appresso monsignor Bembo (hierzu korrigiert der Autor selbst am Rande: salvo il vero
a messer Giovanni Gaddi) che l'hebbe da Vettorio Ghiberti Fiorentino, ch'era tra le cose di Lorenzo di Bartoluccio Ghiberti.»
 
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